Online Emotionen wecken: 7 Kreativdirektoren zeigen wie…
Kategorie: Allgemein, Events, Inspiration, Menschen
10. April 2021
Online Emotionen wecken // Photo by Tengyart on Unsplash
“Emotionen sind der Schlüssel zum Herzen der Menschen – und damit auch zu ihrem Kopf.” Axel Beyer
Online Emotionen wecken — wie geht das? Diese Frage treibt mich seit Jahren um. 2016 fragte ich bereits 7 Kreativdirektoren, wie das analog bei Live Events gelingt. Die Pandemie zwingt umzudenken. Wie erzeugt die Mona Lisa im Louvre auch digital ihre magische Anziehung? Wie wird sie bei so vielen verfügbaren Bildern überhaupt gefunden? Warum fesselt mich die eine Rednerin erfolgreich und bei anderen schalte ich schon nach 5 Sekunden ab? Warum berühren mich einige Momente und viele andere eben nicht?
Emotionen zu wecken ist die Kernaufgabe für das Gelingen von Kommunikation — online wie offline. Wer aber gerade bei digital übermittelten Events Emotionen weckt, bekommt Resonanz und damit Reichweite. Und es werden Beziehungen aufgebaut. Eine wertvolle Währung für jedes Unternehmen. Daher habe ich 7 Kreativdirektoren erneut gebeten, ihre Gedanken und Erfahrungswerte zu schenken.
Helge Thomas: Online wecken, was offline schlummert!
Um diese Frage zu beantworten, möchte ich Hermann Hesse zitieren: „Wo befreundete Wege zusammen laufen, sieht die ganz Welt für eine Stunde wie Heimat aus“. Anders ausgedrückt: Emotionen kann man nur „wecken“, wenn man weiß, wo sie „schlummern“. Der irrationale Wunsch vieler Entscheider*innen, ihre Zielgruppe mit künstlichem „Budenzauber“ auf einem Event plötzlich in einen „emotionalen“ Zustand zu versetzen, hat noch nie funktioniert. Weder analog, noch digital, noch hybrid. Und wenn, dann ist das Strohfeuer kurz und damit zu teuer. Man kann mit Events nichts korrigieren, was man beim Aufbau von tragfähigen Beziehungen zum eigenen Markt jahrelang versäumt hat. Für Unternehmen allerdings, die das verstanden haben und eine hohe Connectivity mit ihrem Markt besitzen, ist die Emotionalisierung recht einfach. Zum Beispiel, indem man die Teilnehmenden und ihre Themen auf Augenhöhe einbindet, weil man genau weiß, wie sie ticken und was ihnen Freude bereitet. So wie wir das kürzlich im Rahmen einer globalen Konferenz von Entwickler*innen erfolgreich getan haben.
Helge Thomas wurde 1964 in Heidelberg geboren. Er ist Ideensammler, Social-Media-Evangelist, stolzer Autodidakt, Filmemacher, Visionär, Geschichtenerzähler, Morgenmuffel und seit 2011 Creative Director und Mitglied der Geschäftsleitung bei ottomisu.
Kai Janssen: Die größte Gefahr einer Veranstaltung ist die Langeweile…
Und bei Online-Events ist sie noch größer.
Dagegen helfen drei Ansätze:
1. Inszenierte Anarchie: Gib alle Macht den Gästen. Binde sie ein, interagiere, lass sie Ablauf, Inhalte und Räume bestimmen, verändern, gestalten.
Gib dem Publikum das Gefühl: „We, the crowd, are the main event!”
Das geht gut, solange die Technik mitmacht.
Hinterlässt sehr gute Gefühle wie Stolz, Verantwortung und Begeisterung.
2. Vom TV lernen. Denk an eine Show oder ein TV-Format, dass dich selbst begeistert. Wenn du ernsthaft dahinterstehst, kannst du es auch deinen Gästen verkaufen.
Nachteil: Budget, Vorbereitungs- und Probenzeit verdoppeln sich. Dafür wird’s dank professioneller Inszenierung, hochwertigem Content, exklusiven Auftritten und viel Dynamik gut. Sorgt für Überraschung, Wow-Momente und gute Unterhaltung.
3. Kombiniere 1 und 2. Dann macht‘s richtig Spaß.
Kai Janssen, Freier Creative Director und Dozent für Markenerlebnisse. Er studierte bildende Künste, Fokus Raum und Medien, 2. Präsident der FICA, Cross-Crocket-Spieler und ‑Weltmeister, in fester Beziehung.
Petra Lammers: Geschichten, Geschichten, Geschichten
Wie ich Online Emotionen wecken kann? Mit Geschichten!
… und einem genauen Blick auf alle „Figuren“, Raum/Situation, Handlungsstränge, Plotpoints und Inhalte.
(Auf die Bitte nach Beispielen sandte Petra folgendes): FOLGT!
Petra Lammers, inszeniert seit über 15 Jahren Theater‑, Public Space- und Eventproduktionen, gemeinsam mit Norwin Kandera Geschäftsführerin von onliveline, einem Büro für Konzeption und Inszenierung. Davor Creative Directorin / Konzeptionerin bei Panroyal in Wuppertal sowie freie Theaterregisseurin, studierte MBA und MFA in Dramaturgie und Regie.
Philipp Dorendorf: Dreamlandscape. #AllesIstDesign.
„Wer bitte hat denn heutzutage keinen eigenen Podcast?“ (Zitat: .. vergessen von wem… könnte von Klaas H.-U. gewesen sein .. oder Böhmi… Egal: same-same)
Können wir uns darauf einigen, dass das Hören das Sehen und Anfassen, Riechen … nun ja, gewiss nicht ersetzen kann und wird, aber einen höheren Stellenwert bekommt?
Zeichen der Zeit: Podcasts schlagen aktuell um sich. Pop-up-Podcasts, krasse Reichweiten und – weil und trotz Premium-Account – muss ich die eingewebte Werbung ertragen. Mach ich, weil: Alles cool. Ich mag Zuhören. Also wahrhaft zuhören! Wenn das Angebot mich erreicht.
Warum ist Hören toll?
Träumen. Reisen. Abschweifen. Fokussieren.
Dreamlandscape.
Wer gut hören kann, kann auch riechen, schmecken, sich erinnern, sich erschrecken, sich verlieben und hassen. Bilder produzieren, kurzum: Emotionen wecken. Intrinsisch.
Wo wir grade dabei sind: Auditive Injektion schlägt Frontal-Bespaßung. Wahre Empfindungen kann man nicht lesen oder ab-lesen. Oder sich vortanzen lassen. Denn die liegt in uns selbst. (Keine neue Info an der Stelle, ich weiß das.)
Zumuten. Und muten.
Mal ehrlich: Mir will doch bitte niemand erzählen, das du, wir, ich, sie, er, es – sich – in Online-Irgendwas — nicht die Kamera und den Sound – muten um dem Programm allein mit den iPods im Ohr folgen? Muten versus Zumutung.
Eben.
Ein visuelles Erlebnis ist schwer zu erzeugen, wenn es ist nicht Cinema-size oder Live ist, wie gewohnt. Immersiv sein, kann nur der Kopf, als ein Ersatz für die Bühne. Oder ist der Kopf die Stage, die wir designen müssen? Und: Er braucht Sound, der Kopf. Die innere Bühne. Die können wir erzeugen, glaube ich. Und wir können ihm Sound geben.
Why not?
Die mentale Kraft des Menschen wird über-sehen und unter-schätzt. Eine Geschichte zu hören, erzeugt, nicht auch, sondern — vor allem: Bilder. Vielleicht richtig, richtig, große Bilder! Und wenn das so ist, dann könnte man sagen, dass das Hören eine Art ‚Customized Dreamlandscape-Cinema’ ist oder sein kann, weil die Hörer*Innen sogar die eigenen Bilder produzieren. Wie cool ist das denn?
Und: Why not?
Das ist nicht einmal neu oder gar nur ein Pandemie-typisches Symptom. Wie viele Künstler im Bereich der Sound-Scenography gibt es im Vergleich zur den Visuellen?
Eben. Wenige nur.
Das ist genauso schade wie begründet. Die Bedeutung des Hörens scheitert zu oft daran, dass unsere Kunden etwas sehen wollen.
„Na dann zeig’ mal, Philipp!“
Kundenpräse, ihr kennt das… Und jetzt stell’ sich mal einer vor, ich würde dies sagen:
„Schließen Sie die Augen und hören sich an, was wir ihrem Publikum anbieten, was sie berühren wird, was Sound auszulösen in der Lage ist und was wir transportieren können – ohne ein Bild zu zeigen.“
Hä?
Nee, so läuft das doch nicht, oder?
Vielleicht doch: „Na, dann zeig’ mal, Philipp!“ — wird ersetzt durch: „Lass hören!“
Die Bezeichnung: ‚Auditorium’ ist nicht von einer Pandemie erfunden worden. Das Wort sagt ja selbst, was es ist: Augen zu. Ohren auf. Der Speaker ist eh nur ein Minimi auf einer zu großen Bühne (#Hörsaal).
Ich glaube nicht, dass irgendetwas Neues, mehrere oder weinigere oder andere Emotionen weckt als immer schon. Ich glaube und hoffe aber, dass das achtsame Hören eine neue Bedeutung bekommt. Dass es mit ein paar bunten Klang-Tasten das Event-Klavier der Sinnesbespielung mit einer auditiven Experience, f***ing erweitert.
We will get back to it.
Aber: Erkenntnisreicher.
Weniger Nehmen – zugunsten von mehr Geben und Verstehen.
Alles ist Design.
Ich bin Philipp. Creative Director aus Hamburg.
Philipp Dorendorf ist Creative Director für Brand Experience und Kommunikation im Raum. Seit Dezember 2019 leitet er die EAST END Kreations-Unit. Er hat Graphic-Design an der Alsterdamm School of Visual Arts in Hamburg und Marketing-Kommunikation an der Westdeutschen Akademie für Kommunikation studiert. Er ist Mitglied im Art Directors Club (ADC) und hat diverse Auszeichnungen für seine Arbeiten erhalten. Zudem ist er Speaker auf Kongressen und fördert kreativen Nachwuchs durch Dozenturen und Vorträge. Mit über 20 Jahren Erfahrung im Bereich Markenerlebnisse waren seine bisherigen Stationen u.a. kogag, Avantgarde, facts and fiction, BBDO live und insglück.
Miriam Wüstefeld: Das wahre Potential virtueller Umgebungen nutzen
Die Begegnung im virtuellen Raum ist zu einem festen Bestandteil unserer Zeit geworden. Geprägt wird die Qualität dieser Ereignisse — neben einer stabilen Internetverbindung, einem intuitiven UX Design und einer professionellen Regie — vor allem durch die partizipierenden Protagonisten und die Inszenierung der Inhalte. Wenn all das stimmt, sind die Voraussetzungen für eine positive Grundstimmung und eine ungeteilte Aufmerksamkeit erfüllt.
Wirklich spannend und emotional wird es, wenn wir dann das wahre Potential virtueller Umgebungen nutzen und immersive Welten erschaffen, in die der User eintauchen kann. Welten, die er erleben und erkunden kann. Denn erst so wird aus der reinen Betrachtung eine individuelle Erfahrung und aus Distanz eine Art Nähe. Gewährleisten wir den Teilnehmern zudem noch den Austausch unter- und miteinander, sind wir von einem Gemeinschaftsgefühl und ‑erlebnis nicht all zu weit entfernt.
Miriam Wüstefeld, entwickelt als unabhängige Kreativdirektorin Strategien und Konzepte für Erlebnisräume rund um Mensch, Marke und Kultur. Mit WUESTEFELD STUDIO unterstützt sie Auftraggeber, wie beispielsweise About You sowie diverse namhafte Agenturen und Studios.
Stephan Schäfer-Mehdi: Nieder mit den Grenzen > Schafft neue Räume für Emotion
Gibt es virtuelle Emotionen? Die gibt es natürlich nur in real. Gibt es Online-Events? Ja, massenhaft mit Multiplayer-Online-Games von FIFA21 bis Fortnite: wenn sich weltweilt Millionen Zocker verabreden und gemeinsam spielen: Die Programmierer haben die Dramaturgiemöglichkeiten und Inszenierungsmodule geschaffen, in denen sich die Spieler bewegen und ihre „Events“ erleben. Das geschieht gleichzeitig und inklusiv, kommunikativ verbunden, interaktiv und oft hoch emotional. Das meiste, was sich in der Live-Kommunikation gerade Online-Event nennt, ist dagegen weit von diesen Potentialen entfernt. Denn letzteres ist eigentlich TV per Internet, aber mit einem Bruchteil des Budgets einer Netflix-Produktion. Das kann nur scheitern.
Darum ist virtuelle Kommunikation im Raum so spannend, weil ich dort Grenzen überschreite und sie sich auflösen. Es gibt dort keine Schwerkraft und keine zu kleinen Budgets. Auch hier sollte man sich von Digitalen Zwillingen von Messeständen, realen Messen oder pseudo-realistischen Locations lösen. Gebt den Nutzer*innen die Möglichkeiten, die sie in den Spielen haben. Das Erlebnis kann, wie bei einer Ausstellung, individuell und zugleich höchst immersiv sein. Oder lasst uns daran arbeiten, dass wir Umgebungen schaffen können, in denen die Corporate Nutzer auch in Gruppen ein hochqualitative Erlebnis haben können. Dabei sollten nicht TV-Shows mit ihrer Mechanik und Didaktik die Inspiration sein, sondern die wunderbare Welt der Games.
Stephan Schäfer-Mehdi, Strategie und Kreation, Studio Bachmannkern, mit nationalen und internationalen Awards ausgezeichnet, Mitglied im Art Directors Club für Deutschland, Autor des Standardwerkes “Event-Marketing”, 2014 den Kriminalroman “Tod in den Bergen” veröffentlicht. Wuppertaler.
Martin Klingler: Content bleibt King
Wir müssen nach Spannung, Emotion und Sinnlichkeit in den Storys suchen.
Und dann managen wie wir diese dramaturgisch und dann technisch zum Teilnehmer bringen.
Diese Reihenfolge ist entscheidend.
Meist wird immer noch nach technischen Tools für Interaktion gefragt und gesucht, statt nach Emotion in den eigenen Inhalten und der eigenen Event-Dramaturgie. Da steckt das größte Potential – erfolgreiche TV / Streaming / Social Media Inhalte zeigen es auf.
Die überzeugen durch Geschichten / Inszenierung und nur sehr selten mit sinnfreien technischen Spielereien. Und wenn es dann ein passendes technisches Gadget gibt, das Emotion fördert – welcome!
Martin Klingler, Creative Director bei marbet in Künzelsau. (Und mit dieser Bemerkung: “kann mich für unfassbar viel begeistern, immer wenn es mich berührt…” Ideengeber für diesen Blogpost.)
Theo Eißler: Fragen. Zuhören. Einfühlen.
Wir wissen alle: Emotionen sind der Goldstandard der Kommunikation — online wie offline.
Informationen führen nur zu Überlegungen. Emotionen jedoch führen zu Entscheidungen.
Aber warum gelingt es uns nicht viel häufiger, sie zu wecken? Gerade in der Business‑, Marken- und Unternehmenskommunikation?
Liegt es an mangelnder Kreativität, Exzellenz, Mut und Glaubwürdigkeit? Womöglich auch.
Die Gehirnforschung zeigt, dass unsere emotionalen Zentren nur dann aktiviert werden, wenn etwas wirklich wichtig für uns ist.
Sprich, da muss mir etwas unter die Haut gehen und für mich persönlich echt von Bedeutung sein.
Das ist der Grund, warum EDEKA zu Weihnachten nicht auf einen Produktfilm, sondern auf eine Geschichte setzt, die von existenziellen, menschlichen Bedürfnissen und Werten erzählt. Schöne Ausnahme, aber die Regel sieht doch anders aus, oder? Da geht es um die Kommunikation von neuen Angeboten, Produkten, Strategien, Geschäftsmodellen, Prozessen, Zahlen, Daten, usw.
Egal in welchem Projekt, versuche ich dennoch vom Offensichtlichen zum Persönlichen zu kommen. Ich arbeite mich von außen nach innen. Durch Fragen. Durch Zuhören. Durch Einfühlen. Um was geht es hier eigentlich? Was ist der Kern? Die Essenz, die alle berührt?
Ein Weg, der manchmal für mein Gegenüber so attraktiv ist wie das Häuten einer Zwiebel. :-)
Manchmal gelingt das besser, manchmal schlechter. Aber immer bleibt es ein Vorwärtstasten. Und ja, bei Emotionen kommt es buchstäblich auf jedes einzelne Wort an.
Am Ende jedoch, kann ich bisweilen selbst gar nicht beurteilen, warum eine Arbeit jetzt mehr Emotionen weckt als die andere.
So ging es mir zum Beispiel bei einem Film zum Thema Demenz, der eine Resonanz ausgelöst hat, mit der ich nie gerechnet hätte:
Warum es sich lohnt, sich dem Geheimnis der emotional intelligenten Kommunikation zu verschreiben? Der wunderbare Kendall Haven bringt es auf den Punkt:
“Our research has shown that you will never fully engage people — and you have to fully engage them to influence them — unless you engage them emotionally. Stories do that.”
Theo Eißler liebt es, Geschichten und strategische Narrative zu finden und auf den Punkt zu bringen. Für Marken und Menschen in Verantwortung. Er ist kreativer Sherpa für Führungskräfte und Fachbereiche, Sparringspartner, Impulsgeber, Slogankomponist, Enthusiast und Gründer der Agentur für Corporate Storytelling BärTigerWolf.
Kreativdirektoren — habt herzlichen Dank für euren Einblick, wie ihr Online Emotionen wecken lasst. Chapeau!
Frage: Wie kannst du Online Emotionen wecken? Freue mich auf einen Kommentar oder Beispiele unterhalb.
Was dich noch zum Thema interessieren könnte:
Digital-Events: Resonanz im Netz erzeugen
Theaterregisseur Axel Beyer: EMOTION – der Schlüssel zur Aufmerksamkeit!
Wie werden Emotionen geweckt > Hinweise von 7 Experten in diesem Buch