Eventplanung Tipps vom MICE Club Live 2015 — Inspirationswerkstatt für die MICE Branche
Der MICE Club hat mich schon 2013 aufgrund dieses innovativen Konzepts begeistert: konkrete Ideen, innovative Praxisbeispiele und ein Miteinander auf Augenhöhe. Das gibt es so weder auf der IMEX, beim FAMAB Award noch auf der Best of Events. Wirklich ein starkes Format mit viel Potenzial im Bereich Wissensvermittlung.
Mit entsprechend hoher Erwartungshaltung bin ich dieses Jahr ins Ruhrgebiet gereist: Kein oberflächlicher Austausch um „Kontakte” zu generieren, sondern um an Inhalten zu arbeiten und auch selbst dazu zu lernen. Denn den Nachholbedarf an wirklich guten Events gibt es immer noch in unserer Branche, wie ich bereits im Rahmen des Brand Eins Agenturrankings kommentierte. Für alle, die nicht im Ruhrgebiet dabei sein konnten, folgend ein persönlicher Rückblick samt konkreter Eventplanung Tipps für die Praxis.
1) catch box: Vorstellungsrunde mal anders
Die obligatorische Vorstellungsrunde der rund 90 Teilnehmer fand in der Kohlenwäscherei der Zeche Zollverein in Essen statt. Planer von Events konnten sich in 20 Sekunden mit Namen und ihrem USP vorstellen. Anbieter (Destinationen, Locations, Logistik, Travel etc.) bekamen 60 Sekunden Zeit, um neben der Kurzvorstellung auch ihren Gedanken zu Herausforderungen der Branche zu kommunizieren. Den Spaß-Faktor erzeugte das werfbare catch box Mikrofon, mit dem das Publikum interaktiv eingebunden wurde.
2) Pitches: gemeinsame Chance!
Auf dem kurzen Fußweg rüber zum Zollverein-Kubus wurden Plakate mit Streit-Fragen aufgestellt, um als Diskussionsanreger zu dienen. Eine dieser Fragen lautete: Pitches — Existenzielle Krise oder gemeinsame Chance. Wie beim Hammelsprung im Bundestag konnte man hier abstimmen. Mit Hilfe kleiner Bälle, die wir entweder links oder rechts in einen Korb warfen, konnten wir der eigenen Meinung zum Thema Ausdruck verleihen. Das Stimmungsbild zum Thema Pitches deutete klar auf die gemeinsame Chance — die konstruktiv-positive Grundstimmung war also gesichert.
3) Die Eventbranche in Bewegung: Chancen und Risiken erkennen
Die Besonderheit der belgischen Moderatorin Stien Michiels war es, „systematisch zu interagieren”. Im Gepäck hatte sie gute Ideen für die interaktive Plenumssession dabei. Zunächst aber lief als Einstieg dieser Film:
Der Kerngedanke des Films: Eine Entscheidung bringt eine gesamte Kette ins Rollen… Die systematische Frage für die MICE-Branche: Wie können Einzelne das gesamte System ändern? Entscheidungen, ein Umdenken, Chancen erkennen und die Zusammenarbeit untereinander verstärken. Oder ist der Film doch zu schön, um wahr zu werden?!
In den nächsten eineinhalb Stunden wurde aus den Perspektiven Agentur, Konzern und Anbieter verschiedene Fragen gestellt. Dabei dienten die Besucher als physische Gradmesser: Wir Teilnehmer wurden gebeten, uns gemäß unserer Meinung im Raum zu positionieren — entweder rechts für „Ja” oder links für „Nein”, die Mitte für „Vielleicht”, oder alternativ auf einer Skala von 1 bis 10 in der Breite des Raums. So wurde schnell für jeden sichtbar, wie eigentlich die Summe der Experten zu Themen unserer Branche denken. Spannend wurde es natürlich, sobald in Kleingruppen über die verschiedenen Meinungen gesprochen wurde und am Ende Kernaussagen in der großen Gruppe diskutiert werden konnten. Gerade im Nachmittagstief eine gelungene, auflockernde Maßnahme. Einziger Kritikpunkt: Die Hälfte der Fragen hätte es auch getan — zugunsten von mehr Zeit für eine inhaltlich-tiefere Auseinandersetzung.
Hier die Fragen (Ergebnis-Beweisfotos und weitere Impressionen gibt es auf der MICE Club Website):
• Frage 1: Als einleitende Übung wurden die Teilnehmer gebeten, sich vom Mittelpunkt im Raum aus dort hinzustellen, wo sie geboren wurden. Also eine übergroße Landkarte mit Essen in der Mitte. (Als in Brisbane/Australien geborener konnte ich mit „Downunder”-Handstand in der hintersten Ecke trumpfen…).
• Frage 2: Wo machst du am meisten Business? (wieder mit der Stadt Essen als Mittelpunkt im Raum)
• Frage 3: Wie startklar bist du für die Session oder brauchst du noch einen Café? Auf einer Skala von 0–10 (reiner Spaß-Faktor — jetzt hat das Prinzip jeder verstanden…)
• Frage 4: Ist die MICE Branche komplex? Ja — Vielleicht — Nein
• Frage 5: Wird sich der deutsche Meetingmarkt maßgeblich durch Portale und Technologien verändern? Ja — Vielleicht — Nein (samt kurzer Diskussion in 3–4er Gruppen: Wie sehr ihr das?) -> Der Einkauf bestimmt vs. Menschen & Ideen entscheiden
• Frage 6: Müssen wir in Zukunft Online-Auktionen akzeptieren? -> klares Nein
• Frage 7: Wie stark wird sich der Eventbereich in den nächsten 5 Jahren im Bereich Nachhaltigkeit bewegen? (Skala 1–10)
• Frage 8: Kann die branchenübergreifende Zusammenarbeit Einfluss auf die Ergebnisse haben? Ja — Vielleicht — Nein -> Dienstleister an einen Tisch bringen: Was kannst du zum Thema Nachhaltigkeit beitragen? Als Eventgestalter sind wir immer darauf angewiesen als und mit Partnern zu arbeiten!
• Frage 9: Sind Sie bereit partnerschaftlich mit anderen Dienstleistern in einen Pitch zu gehen? -> klares Ja
Kurzum: Durch diese Methodik wird es Menschen ermöglicht, sich besser kennenzulernen, einander zuzuhören, Ideen auszutauschen und gemeinsam gute Arbeit zu leisten. Unbedingt nachmachen!
4) MICE Lab: Kleingruppensessions
In den Kleingruppensessions trafen Planer auf Anbieter. Mittels einiger Fragestellungen konnten sich jeweils zwei Anbieter mit ihrem Profil vorstellen und auf 3–5 Planer treffen. Als Aufhänger dienten Themen wie “Welche schwierige Entscheidungen habe ich kürzlich getroffen?” oder “Agenturarbeit: auf Augenhöhe vs. Sklave des Kunden” und “Vor welchen Herausforderungen stand ich zuletzt?”.
An sich ist dies ein gutes Mittel, um in persönlicherem Rahmen zu informieren und auch Besonderheiten für die konkret vor sich sitzenden Planer herauszustellen. Dies hängt aber ab von dem Interesse der Planer an dem Angebot, aber auch der Art der Vorstellung. Offen gestanden war ich an dieser Stelle ohne konkrete Erwartungshaltung gekommen, bin aber auch kaum überrascht worden. Die Idee stimmt, aber die Umsetzung lässt noch Spielraum zur Verbesserung.
Spannend fand ich jedoch eine Randbemerkung: Habe ich eine Kernkompetenz und vertrete diese oder gibt es mehrere Schwerpunkte und muss die entsprechend auch alle in den Ring werfen? Die Profilierung auf eine Kernkompetenz macht aus meiner Sicht absolut Sinn.
Auch eine Geschichte blieb mir im Kopf. Ein Anbieter fragte im Nebensatz: „Warst du schon mal im Krankenhaus? Was ist dir in Erinnerung geblieben?” Die Antwort liegt auf der Hand: „Die Art der Behandlung durch die Krankenschwestern und das gute Essen!”
Der Transfer zu Events ist nicht weit hergeholt — uns geht es ja auch immer wieder darum, „erinnerbare Momente” herzustellen. Was neben aller Liebe zu Inhalten und Botschaften zählt, ist eben doch die reibungslose Logistik und die weichen Faktoren: „gute Stimmung, leckeres Essen, nette Gespräche”.
Ohne Logistik gegen Inhalte auszuspielen (Ablaufregisseur-Blogleser wissen, dass ich für Ideen lebe):
Da ist was dran!
Wenn die Grundbedürfnisse nicht abgedeckt sind (“Hab ich den Redner gut hören können? Hab ich was Leckeres zu Essen bekommen?”), ist der Rest vergebene Liebesmühe. Ich denke es ist kein entweder oder, sondern ein sowohl als auch.
5) Guest Experience: in die Teilnehmer hineinversetzen
Das bringt mich auch gleich zum nächsten Punkt. Als Gestalter von Events erleben wir eben diese ja selten aus der Sicht der Teilnehmer. Dabei führt dieses Erlebnis zu einigen Beobachtungen, die man schnell anpassen kann und damit große Wirkung erzielt. Ein persönlicher Rückblick, ganz bewusst aus Teilnehmersicht:
Morgens wurden wir mit Shuttle-Bussen vom Bahnhof abgeholt und zur Zeche Zollverein gefahren. Allerdings gab es auf der Busfahrt keine Begrüßung. Dabei wäre genau das so einfach gewesen und hätte nicht nur das Miteinander gestärkt, sondern auch gleich noch ein gutes Willkommens-Gefühl vermittelt: Der MICE Club hätte schon im Bus begonnen. Eine humorvolle, einladende Ansage ist ein Muss.
Ebenso schwierig war es dann beim Transfer zu den Hotels am Abend. Wir warteten bestimmt eine Viertelstunde, bis wir dann endlich losfuhren. In der Wartezeit gab es keine Information, warum oder worauf wir jetzt gewartet wurde. Wir fuhren dann irgendwann auch ohne Erklärung los. Hätte es eine kurze Durchsage gegeben, wären alle beruhigt gewesen. So mussten wir uns im Hotel aber nun hetzen, um zur Abendveranstaltung wieder rechtzeitig in der Lobby zu sein.
Das bleibende Gefühl: „Ich musste mich hetzen und wir haben bestimmt über eine Stunde im Bus gewartet” (die Realität verschiebt sich ja hin und wieder im Nachhinein…). Die davor behandelten Inhalte sind über das Ereignis längst vergessen — ein unnötiges Ärgernis. Beziehungsweise: Eine sehr wertvolle Mahnung, Guest Experiences permanent im Blick zu halten! Eigentlich im Nachhinein sogar ein nützliches Erlebnis, weil wir als Eventgestalter so was selten an der eigenen Haut erleben…
Foto: Udo Geisler (ebenso Aufmacherbild und Kleingruppenbild)
6) Neue Perspektiven: Locationwechsel nutzen!
Auch zur Abendveranstaltung in dem Gebläsehallen-Komplex des Landschaftspark Duisburg-Nord galt für mich: Als Eventgestalter geht es darum, der rundum perfekte Gastgeber zu sein — nicht aufdringlich aber mitdenkend. Sprich: Wie läuft die Garderoben-Abwicklung, ist es warm genug, werden die Besucher willkommen geheißen, wie lange muss ich beim Catering anstehen etc. Wenn alles läuft, nicht nachlassen: Ist die Toilette immer noch sauber, gibt es genügend Getränke-Nachschub? Der Abend war rundum gelungen und hatte diese Punkte gut gemeistert (wenn auch die sehr weitläufige Location wenig Intimität vermittelte). Es geht mir hier um die grundsätzliche Haltung als Veranstalter bei der Eventplanung — haben wir die Teilnehmer-Perspektive immer wieder im Blick?!
Eine Überraschung waren für mich die wirklich starken Locations im Ruhrgebiet, die wir über die zwei Tage erleben konnten. Mit dem Ruhrgebiet verbindet man immer noch den Strukturwandel und Abschwung wie Arbeitslosigkeit. Das gerade durch die RUHR.2010 aber viel passiert ist, zeigt das Dortmunder U. Die Location für den zweiten MICE Club-Tag war das „Zentrum für Kunst und Kreativität”, welches in den ehemaligen Räumen der Dortmunder Union Brauerei entstand.
Was aber leider sowohl die betreuende DMC als auch die Hausherren aller anderen Locations verpassten: Die potentiellen Eventplaner persönlich zu begrüßen und einige Informationen zur Historie und Nutzungsmöglichkeiten zu kommunizieren. Schließlich hatte man ja eine Reihe von potentiellen Veranstaltern vor sich. Damit wurde eine Chance verpasst, wobei das Ruhrgebiet auch so in wirklich guter Erinnerung bleibt.
Ein gutes Element war es aber, die Örtlichkeiten und Räume immer wieder zu wechseln und somit Perspektivwechsel zu erzeugen. Einfach durch andere Umgebungen (Raum, Tiefe, Farbigkeit, Akustik etc.) ergeben sich neue Assoziationen und Gedankengänge. Dies sollten wir uns immer wieder für die Konzeption von Veranstaltungen zu Nutze machen.
7) Praxiswerkstätten: Gruppenworkshops
Schwerpunkt des zweiten Tages bildeten dann sechs interaktive Workshops. Im offenen Dialog der Branchenakteure wurden Themen wie interaktive Raumkonzepte (Johannes Albert), Überraschungsmomente (ich selbst), Event-Technologien (Thorben Grosser / Max Burger), Briefing-Kultur (Denis Häcker / Maximilian Schmidt und Kai Janssen), Veranstaltungseinkauf (Martin Stemerdink) sowie Nachhaltigkeit (Jürgen May) aufgegriffen. Mittels praktischer Werkzeuge sowie inhaltlicher Unterstützung durch Brancheninsider wurde es endlich inhaltlich tiefer. Der erste Tag kratzte noch sehr an der Oberfläche und man spürte förmlich den Wunsch, richtig „einzusteigen”.
Thema meines Impulsvortrags lautete „The same procedure as every year?“ — Überraschungsmomente als Impuls für erfolgreiche Eventkonzepte. Offen gestanden habe ich den ersten Workshop aufgrund meiner Tagesform am Morgen verhauen — wir sind eben alles nur Menschen… Glücklicherweise lief es beim zweiten Durchlauf komplett anders, sodass wir wertvolle Mittel und Wege in diesem Themenfeld miteinander austauschen und lernen konnten. Für alle Leser an dieser Stelle der Hinweis: Unterhalb gibt es mein eBook zu den „7 Geboten der Inszenierung” kostenlos zum Download. Dort finden sich praktische Tipps, um wirkungsvolle Events zu konzipieren.
Gerne möchte ich noch einen Gedanken dazu festhalten: Das Wissen ist bei Konferenzen und Tagungen oft schon im Raum, wird jedoch zu selten abgerufen. In der Regel gibt es nämlich nur die Frontalbeschallung von vorne und so kommen Experten im Publikum gar nicht zum Zug. Daher habe ich in meinem Workshop zu Beginn eine kurze Runde mit entsprechender Fragestellung eingebaut, um das vorhandene Wissen miteinander zu teilen: „Welche Event-Gewohnheiten langweilen dich und bei welchem Event wurdest du zuletzt überrascht?” Dabei kamen wirklich gute Impulse zu tage.
Die Methodik des Workshops sah vor, dass wir eine Geschichte erzählen. Die Teilnehmer sollten sich aus einem der vier Perspektiven „Herausforderungen, Schlüsselmomente, Erkenntnisse, offene Fragen” die Geschichte anhören und anschließend in Kleingruppen über ihren jeweiligen Punkt miteinander diskutieren. Die Ergebnisse wurden dann in der Gruppe vorgetragen und bewertet. Zum Schluss gab es die Frage, was jeder Einzelne davon mit in den Arbeitsalltag nehmen kann.
Fazit: relevante Eventplanung Tipps für den Arbeitsalltag!
Zum gemeinsamen Abschluss wurde jeder Teilnehmer gebeten, eine Entscheidung für sich zu formulieren: Was möchte jeder aufgrund des Wissens der letzten zwei Tage in seinem Arbeitsleben ändern? In Anlehnung an den Wolf-Film zu Beginn reicht oftmals eine Entscheidung, um vieles zu verändern. Dazu gab es einige Minuten Zeit zur Reflektion. Abschließend sollte jeder diese EINE Entscheidung öffentlich kommunizieren. Ein mutiger Commitment-Schritt, der aber aus meiner Erfahrung tatsächlich am ehesten dazu führt, etwas zu verändern. Auf jeden Fall ist die Chance sehr viel größer, als wenn man einfach nur zum Zug oder Flugzeug eilt, ohne sich klar zu machen was das EINE ist, was ich aus dem Neu-Erlernten mitnehmen kann.
Mein persönliches Fazit: Der MICE Club offenbart, wie vielfältige Profile in der Eventbranche unterwegs sind und doch auf der selben Wellenlänge schwingen. Ja, wir sitzen in einem Boot und können viel voneinander lernen. Wir sollten Kunden mehr Fragen stellen und auch mal Nein sagen. Kommunikation ist und bleibt das A und O in unserer Branche. Das Netzwerk bietet noch großes Potenzial für mehr Austausch und Interaktion. Verlier’ nie den Mut zur Veränderung. Treffe eine Entscheidung und arbeite daran, einen USP zu haben. Kurzum: Die Inhalte und der Austausch waren für mich der lohnende Kern, wenn auch die Tiefe der Themen noch stärker ausbaubar gewesen wäre.
Welche EINE Entscheidung triffst du?
Meine Entscheidung: Ich werde an dem Thema Knowledge Transfer weiter dran bleiben. Konkret möchte ich bis Jahresende eine zweitägige MasterClass „Erfolgreich inszenieren — Die Magie hinter WOW-Momenten” realisieren. In einer Gruppe von zehn Leuten werden wir Zeit haben, um tiefer in Themen der Eventplanung & Konzeption einzusteigen und hilfreiches Wissen zu erlernen. Wer Interesse hat, darf sich gerne bei mir melden!
Frage: Wenn du dabei warst — was hat dir geholfen, wo wünscht du dir Veränderung für den MICE Club 2016?
Wenn du nicht dabei warst — welche Tipps fandest du nach der Blog-Lektüre hilfreich und was wirst du anwenden?