Digitale Events: Analyse der US-Parteitage

3. September 2020

Digitale Events: Analyse der US-Partei­­­tage DNC & RNC // Quelle: PBS News Hour

 

 

Die Event­branche befindet sich durch Covid-19 im Umbruch. Aus Live Events werden Digitale Events und zuneh­mend Hybride Event­for­mate. Daher war es spannend zu sehen wie in den USA die beiden Partei­tage ‑erstmals virtuell- die Demo­cratic National Conven­tion und die Repu­blican National Conven­tion in Szene gesetzt haben.

 

Insze­nie­rung ist für mich die Kombi­na­tion aus Inhalt und Verpa­ckung. Poli­tisch über­lasse ich die Bewer­tung der Inhalte gerne dem SpiegelTages­schau und Tages­spiegel. Nur so viel: Die Demo­kraten haben sich voll und ganz auf die pola­ri­sie­rende Person Donald Trump einge­schossen. Im Kontrast zu dem versöh­nenden und verbin­denen Mann der Mitte Joe Biden. Die Stra­tegie der Repu­bli­kaner scheint auf die Wahl zwischen „Sleepy Joe“ und Trump zu setzen. Wobei Biden als eine Mario­nette der radi­kalen linken Sozia­listen darge­stellt wird. Beide Seiten betonen die histo­ri­sche Dimen­sion dieser Wahl.

 

Als Regis­seur inter­es­sierte mich vor allem die Gestal­tung an sich sowie die Verpa­ckung der Inhalte. Und da gab es einiges inter­es­santes zu entdecken…

 

 

  1. Demo­cratic National Conven­tion (DNC)

 

Der Fokus der DNC lag darauf ein WIR-Gefühl zu erzeugen. Ange­fangen vom offi­zi­ellen Leit­thema „Uniting America“ gab es für jeden der vier Abende einen roten Faden: We The People / Leader­ship Matters / A More Perfect Union / America’s Promise. Gerade am ersten Abend wurde das Zitat aus der ameri­ka­ni­schen Verfas­sung beispiel­haft umge­setzt. Begin­nend mit der von einem Online Chor gesun­genen Natio­nal­hymne zeigte das gut zwei­stün­dige Programm eine schiere Band­breite von Menschen, Orten und Geschichten auf – und damit um wen es eigent­lich geht: „We The People“ und nicht den Egomanen im Weißen Haus. Ich denke, viele Wähler­gruppen fühlten sich dadurch gesehen, gehört und reprä­sen­tiert. „We The People“ – Bilder sagen eben mehr als 1000 Worte. Hier ein guter Zusam­men­schnitt der DNC:

 

 

 

Da die Wech­­sel­­wähler-Staaten beson­ders umkämpft sind, wurde für die DNC als Austra­gungsort bewusst Wisconsin ausge­wählt. Durch Covid-19 wurde aus dem Live Event jedoch ein Digi­tales Event. Das Studio Set war redu­ziert, aber für den Zweck funk­tional. Dadurch setzte die DNC den Fokus auf viele Schalten und gelun­gene Programm­ab­wechs­lung. Jeden Abend gab es eine andere Mode­ra­torin, die Auswahl der Personen setzte ebenso ein Statement.

 

Gut sichtbar werden Unter­schiede bei gleichen Elementen, wie der Stimm­ab­gabe der Dele­gierten für den Präsi­dent­schafts­kan­di­daten (sog. roll call). Vor dem Hinter­grund der aktu­ellen Unruhen veran­kerten die Demo­kraten die Diver­sität der Nation durch reprä­sen­ta­tive Schalten in die Staaten visuell galant und verbanden so die Stimm­ab­gabe erneut mit dem Leit­thema. Natür­lich rufen Orte wie die Brücke in Selma, Alabama gekonnt Erin­ne­rungen hervor. Bei den Repu­bli­ka­nern gaben vor allem weiße Männer vor einer neutralen Pres­se­wand die Stimmen ab (siehe Video ganz oben). Schön ist anders.

 

Über­zeugt haben auch die emotio­nalen Themen auf der DNC. Von Black Lives Matter (der Bruder von George Floyd sprach), über die Corona Krise, Waffen­ge­walt und Shoo­tings in Schulen, dem Klima­wandel, der Bildungs-Situa­­tion und Lehrer, dem Kampf gegen Krebs, die Gesund­heits­ver­sor­gung etc. erzeugten die State­ments und Bilder ein starkes Gemein­schafts­ge­fühl. Sehr unter­schied­liche Menschen unter­stri­chen dabei eine authen­ti­sche Diver­sität. Im Storytel­ling fiel beson­ders die Tochter eines an Corona gestor­benen Vater auf (siehe Video oberhalb) oder der Rebu­bli­kaner John Kasich, der seine Ansprache von einer symbo­li­schen Wegga­be­lung gab. Musi­ka­li­sche Beiträge wie der 60er Protest­song inter­pre­tiert von Billy Porter oder John Legend mit „Glory” unter­stützen dabei.

 

Insge­samt wirkte der Parteitag nah an den Themen der ameri­ka­ni­schen Bevöl­ke­rung, war durch die vielen Schalten und gelun­genen Mode­ra­tion abwechs­lungs­reich wie kurz­weilig und punktete auch mit leicht höheren Einschalt­quoten als bei den Repu­bli­ka­nern. Vor allem die Bild­ge­stal­tung hat mich in ihrer abwechs­lungs­rei­chen Wirkung überzeugt.

 

 

  1. Repu­blican National Conven­tion (RNC)

 

Die Themen der vier RNC Abende lauteten: Land of Heros / Land of Promise / Land of Oppor­tu­nity / Land of Great­ness. Der Stil ist auf das Ziel­pu­blikum ausge­legt: Patrio­tisch (die Reden fast immer vor US-Flaggen), der Treue­schwur wird zu Beginn von Kindern gespro­chen, es wird gebetet. Viele Redner*Innen sind Frauen und auch schwarze Männer, um diese Ziel­gruppen zu errei­chen. Es wirkt dann aber doch paradox, wenn Donald Trump von mitar­bei­tenden Frauen als explizit inter­es­sierter Kümmerer darge­stellt wird. Aber auch das bietet die Macht der Insze­nie­rung: Reali­täten vorgeben.

 

Thema­tisch werden indi­vi­du­elle Frei­heiten und deren mögliche Begren­zung durch die Demo­kraten hervor­ge­hoben: Freedom of speech (wobei manch Redner*In aggressiv anmutet), Trumps Lieb­lings­thema „Law & Order“, Cancel-Culture. Bizzar wirkt das Video einer Einbür­ge­rungs­feier im Weißen Haus, in der Trump Immi­granten begrüßt. Das steht doch sehr gegen das Bild, welches er über die Jahre mit Einrei­se­stopps und „America First“ gezeichnet hat. Geschickt liefern die Repu­bli­kaner aber Themen und Argu­mente, die in ihrer Wähler­schaft gut ankommen dürften. Dabei spielt die Stärkung der Wirt­schaft die bedeu­tendste Rolle, die Corona Pandemie oder die Mauer zu Mexiko finden keine Beachtung.

 

Aufgrund von Corona-Schut­z­­mas­s­­nahmen wurde die ursprüng­liche Location in Char­lotte weitest­ge­hend redu­ziert und nach Washington, D.C. verla­gert. Die Reden aus dem Andrew W. Mellon Audi­to­rium wirken eher steril, weil sie nicht aus persön­li­chen Umfel­dern kommen sondern vor gleicher Kulisse und ohne Publikum sowie deren Reak­tionen gefilmt werden. Die Bildwelt ist immer gleich, es gibt keine Abwechs­lung und die zwei Kame­ra­ein­stel­lungen beleben nicht.

 

Die Repu­bli­kaner erlauben sich zwei Tabu­brüche. Einer­seits wird am letzten Abend das Weiße Haus als Kulisse gewählt, um die Strahl­kraft der Präsi­dent­schaft zu nutzen. Auch Außen­mi­nister Pompeo spricht vor der Jeru­sa­lemer Altstadt. Übli­cher­weise hält sich dieses Amt aus dem Wahl­kampf heraus, um sich nicht angreifbar zu machen als Reprä­sen­tant aller Ameri­kaner. Sensibel ist auch der Ort Jeru­salem, an den die Trump Admin­stra­tion die Botschaft verlegt hat. Dieses Detail dürfte vor allem die wichtige Ziel­gruppe evan­ge­li­kaler Gläu­biger ange­spro­chen haben.

 

Digitale Events

Key Speakers der RNC als Digitale Events // © Fox News

 

 

Inter­es­sant ist auch die Vielzahl von Sprecher*Innen aus der Trump-Familie (bei gleich­zei­tigem Ausbleiben von repu­bli­ka­ni­schen Ex-Präsi­­denten). Vor allem die First Lady sticht dabei empha­tisch hervor, wenn sie die Covid-19 Opfer anspricht und ihr Mitge­fühl zum Ausdruck bringt. Ansonsten wirkt schon das Intro am vierten Abend wie aus einer Netflix Serie: Trump der Super­held. Inhalt­lich wie auch von der Verpa­ckung scheint mir die Machart aber die gewünschten Ziel­gruppen über­zeu­gend anzu­spre­chen und in ihrem Weltbild zu bestätigen.

 

 

Learnings für digitale Events

 

Die beiden Conven­tions zeigen: Digitale Events funk­tio­nieren sehr wohl, erzeugen Wirkung und können Emotionen wecken – selbst ohne Publikum. Das Digitale Event war programm­lich kürzer und wurde zu einer Zeit gesendet, in der Zuschauer dafür offen waren (was in den USA mit vier Zeit­zonen immer noch mal heraus­for­dernder ist). Kurze Beiträge, viel Abwechs­lung, thema­tisch einer Linie folgend, rele­vante Inhalte teils extrem emotional aufge­laden, in der Verpa­ckung der Ziel­gruppe entspre­chend. All das sorgte für ein „dran­bleiben“ und für Über­zeu­gungs­mo­mente auf beiden Seiten. Die Vielzahl von persön­li­chen Geschichten an unter­schied­lichsten Orten machten die Partei­tage inter­es­sant. Die Abende folgten einer klaren Drama­turgie. Insbe­son­dere die Bild­ge­stal­tung bei den Demo­kraten gewann. Man stelle sich solche Machart in Deutsch­land vor…

 

Einzig die Inter­ak­tion fehlte mir — da geht bei Digi­talen Events wesent­lich mehr. So war es dann doch eher eine eindi­men­sio­nale TV-Show — und da liegt gerade für Digitale Events die Chance neue Dimen­sionen zu eröffnen. Abschlie­ßend bleibt die ethische Frage an manche Redner-Aussage – aber das ist wohl dem ameri­ka­ni­schen Wahl­kampf geschuldet. Weitere Hinter­grund­infos zu den Partei­tagen als Digitale Events finden sich hier für die DNC und RNC.

 

Frage: Welche Wirkung hatten die Partei­tage auf dich? Was nimmst du für digitale Events mit?

 

 

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