
Das habe ich Dagmar Ulbrich gefragt, die ich als echt emphatische Person kennen lernen durfte. Hier ihre Gedanken:
Empathie: Wir wissen doch wie es geht, weshalb gelingt es uns nicht?
Zahlreiche Studien und renommierte Wissenschaftler schreiben der Empathie einen großen Erfolgsfaktor zu. Das wichtigste Softskill der persönlichen Kompetenz und wertvolles Talent von Mitarbeitern und Führungskräften, um die großen Herausforderungen unserer Zeit zu lösen.
Ist Empathie der Schlüssel für wirkungsvolle Begegnungen und Resonanz?
Für Empathie gibt es keine allgemein gültige Definition oder Formel. Für mich beschreibt sie die Fähigkeit sich in andere hinein zu versetzen, ihre Gedanken und Gefühle nachzuempfinden, mitzufühlen, Absichten zu erkennen, zu verstehen und angemessen darauf zu reagieren.
Die Wissenschaft unterscheidet zwischen emotionaler (z.B. Mitgefühl und Einfühlungsvermögen), kognitiver (komplexer Denkprozess, Perspektivwechsel) und sozialer Empathie (Unterschiede in Kultur, Herkunft, Alter, Ansichten etc.). Mehr bei Dr. Helen Riess, The Empathy Effect.
Der Grundstein für Empathie und Einfühlungsvermögen wird vermutlich schon im ganz frühen Kindesalter gelegt. Unsere Nervenzellen lernen auf Aktivierungsimpulsen wie Gefühle, Akustik und Emotionen zu reagieren und diese zu imitieren. Lächeln die Eltern, lächelt ihr Baby zurück. Haben die Eltern Stress, fängt ihr Baby leichter an zu weinen. Wir lernen unbewusst auf Verhaltensweisen zu reagieren und ahmen diese nach. Dazu benötigen wir persönliche Bezugspersonen und Interaktionspartner von denen wir lernen können. Welche Erfahrungen diese prägenden Zeiten begleiten, haben Einfluss auf unser späteres Empathievermögen.
Ein großer Schatz an guten Erfahrungen, beobachteten Handlungen und Reaktionen prägen empathische Menschen. Sie gehen offen und aufmerksam mit ihren Mitmenschen um, hören zu, fragen nach, lesen und verstehen Mimik und Körpersprache, sind konstruktiv, mitfühlend, nach vorne gewandt, pragmatisch und lösungsorientiert. Das klingt schon sehr beeindruckend, aber reicht das auch, um echte Wirkung zu erreichen?
Mir fehlt da noch das gewisse Etwas.
Damit Empathie richtig wirken kann, gehören für mich persönlich auch die eigenen Gefühle dazu und diese auch zu zeigen. So entsteht Herzlichkeit. Erst gepaart mit Emotionen werden unsere empathischen Begegnungen relevant, intensiv und meistens schöner.
Menschen spüren, wenn die eigenen Empfindungen echt sind, wenn Du bei ihnen bist und in dem Moment nichts wichtiger ist, als das gerade Mitgeteilte. Dann entsteht etwas Besonderes, eine Verbindung, eine starke Präsenz und Wirkung, selbst bei negativen Themen. Authentisch und aufrichtig auf das Erlebte zu reagieren, das ist überzeugend und so wünsche ich mir jedes Gespräch, jede Diskussion oder Auseinandersetzung.
Der Missetäter, der uns oft daran hindert empathisch mit unserer Umwelt und unseren Mitmenschen umzugehen, sind wir leider selbst. Wir leben mehr und mehr in sozialen, homogenen Blasen, umgeben uns mit Menschen die so denken wie wir, die so gebildet sind wie wir selbst, die ähnlich wählen, ähnlich verdienen, die unsere Werte und unsere Moralvorstellungen teilen. Das führt zu einem Defizit an Empathie für Menschen außerhalb dieses Zirkels und verstärkt unsere naturgegebenen Vorurteile.
Die gute Nachricht ist – das muss nicht so bleiben, wir können trainieren über unseren Tellerrand hinaus zu sehen und auch zu fühlen. Claire Cain Miller gibt in der New York Times gute Tipps dazu: A Year Living Better
Der erste Schritt ist anzuerkennen, dass wir unbewusst Vorurteile gegenüber anderen haben. Punkt.
Im zweiten Schritt kannst Du daran arbeiten das Schubladendenken abzubauen.
Es gibt es viele Übungen, die dabei helfen ein größeres und offeneres Empathievermögen zu erlernen.
Zuerst einmal hilft es mit Menschen außerhalb seiner Blase zu sprechen, auch mit Menschen die man gar nicht richtig kennt. Lad doch mal einen neuen Kollegen oder Nachbarn auf einen Kaffee ein und frage wie es ihm geht, neugierig, offen und mit genügend Zeit für die Antwort. Ohne Handy, Termindruck oder andere Ablenkungen.
Selbstreflexion: Wie emphatisch bist Du?
Wie ist dein eigener Status? Für was kannst du dankbar sein, was unterscheidet dich von anderen, welche Privilegien genießt du, die andere nicht haben? Nutzt Du Deine Privilegien schon, um anderen zu helfen?
Wenn nicht, ändere es. Spende für Menschen in Not, hilf bei ehrenamtlichen Organisationen, steh für andere ein und ihnen zur Seite. Mach auf eine Ungerechtigkeit aufmerksam, wenn Du dabei bist. Armut hat übrigens viele Formen. Nicht nur finanziell, auch emotional und geistig können wir verarmen. Diese Not zu sehen und dann zu handeln, das macht den Unterschied – in jedem Umfeld.
1. Lies Bücher, zum Beispiel Romane, die ein völlig anderes Leben als Dein eigenes widerspiegeln. Andere Epochen, Länder, Protagonisten und Lebensumstände. Unser Verstand versetzt sich beim Lesen in die Gedanken und Gefühle der Figuren hinein und durchlebt ihre Geschichten.
2. Bilde Dich weiter mit Sachbüchern, Dokumentationen und Erfahrungsberichten über Geschichte, Unterdrückung, Rassismus und Ungleichbehandlung. Mich persönlich hat die Autobiografie von Nikeata Thompson „Schwarz auf Weiß“ fasziniert, gegen alle Widerstände hat sie es sich bewahrt an das Gute zu glauben und mutig ihren Weg zu gehen, sie ist eine der empathischsten Menschen die ich kenne und dazu erfolgreiche Unternehmerin, Bühnen Choreographin, Autorin, Stage Coach und für mich ein Role Model.
3. Führe respektvolle Streitgespräche, nicht laut, sondern offen für verschiedene Meinungen, höre zu und sieh Deinen Gesprächspartner dabei in die Augen.
Beginn Dein nächstes Gespräch doch mal mit einem strahlenden Lächeln und lass mich wissen wie Dein Gegenüber reagiert hat und wie Du Dich dabei gefühlt hast.
Auf den Punkt gebracht: Behandle jeden Menschen, wie Du selbst behandelt werden möchtest.
Dagmar Ulbrich ist Teil und Gründerin von 2bo twobeorganized, technical project event support. Neben dem Eventbusiness verantwortet sie dort die Financial Unit und haucht den trockenen Buchhaltungs- und Steuerthemen eine Prise Leben ein. Sie ist 41 Jahre jung und lebt mit Ihrem Mann und der Hündin Charly im Grünen.
Quellen rund um Empathie zum weiterlesen:
Max-Planck-Gesellschaft: Die Bausteine für soziales Verständnis
On the interaction of social affect and cognition: Empathy, compassion and theory of mind.