Producer Live-Events: 5 Fragen an Matthias Böhning & ein Event der etwas anderen Art…
Kategorie: Allgemein, Events, Inspiration, Menschen
15. Oktober 2014

Producer Live Events — hier das Bundescamp der Royal Rangers Pfadfinder mit 15.000 Teilnehmern
Anfang diesen Jahres kontaktierte mich Matt Böhning, der vor der Aufgabe stand ein Event der ganz besonderen Art als Producer zu verantworten. Da ich die selbige Aufgabe vor knapp 10 Jahren ausgeführte, habe ich mich gerne in beratender Funktion verpflichten lassen. Im August 2014 kamen 15.000 Kinder und Jugendliche im thüringischen Neufrankenroda zusammen, um eine Woche unter dem Motto “Aufbruch” im mittelalterlichen Zeiten zu erleben. Über die Herausforderungen dieses Events habe ich Matt interviewt.
1. Warum ist der Producerjob aus deiner Sicht bei einem Live-Event bedeutsam?
Das beantworte ich am Besten am konkreten Beispiel: Beim Bundescamp der Royal Rangers war meine Hauptaufgabe als Producer, die Schnittstelle zwischen Programmleitung (Veranstalter) und den eigenen und externen „Machern“ zu managen. So war ich für die Koordination aller am Programm beteiligten Ranger-Akteure (Band, Orchester, Kinderchor, Theatergruppe, Animations-Tänzer, Vorprogramm-Beiträge, Sprecher, Gastredner und Gastacts) sowie unserer externen Dienstleistern (vor allem Bild- und Ablaufregie, Aufnahmeleitung, Licht- und Tonfirma) verantwortlich.
Ideen, die die Campleitung für die vier Abendveranstaltungen in der Campwoche hatte, mussten in die Sprache der Umsetzer übersetzt werden. Gleichzeitig kamen von diesen natürlich unglaublich viele eigene Ideen und Vorstellungen, die gefiltert und mit der Programmleitung abgestimmt werden mussten. Diese „Scharnierfunktion“ eines Producers war beim Bundescamp unverzichtbar und ist aus meiner Sicht auch generell bedeutsam bei Live-Events.
Der Producer muss ebenso visionär wie der Veranstalter bzw. die Programmleitung den Event „träumen“ können als auch das notwendige Praxiswissen, Handwerkszeug und Umsetzungs-Knowhow mitbringen, um diese Träume mit dem vorhandenen Team, Equipment und Budget auf die Straße zu bringen. In anderen Worten: „Blue Sky Thinking, Feet-on-the-ground Acting“.
2. Was war das herausforderndste beim Bundescamp der Royal Rangers Pfadfinder?
Am herausforderndsten war für mich in der langen Vorbereitungszeit auf das Camp die Teambildung und –strukturierung. Jedes Event und jedes Setting ist einzigartig (oder zumindest halte ich es für sinnvoll, es zunächst einmal als einzigartig anzusehen). Das zieht die Frage nach sich: Wer muss bei diesem Projekt an welcher Stelle im Team mit welchen Funktionen und Kompetenzen wie positioniert werden? Und was bei uns Royal Rangers (mit einer potentiell in Frage kommenden Leiter-Mannschaft von 3.000 ehrenamtlich-aktiven Personen in Deutschland) noch hinzukam: Welche Funktionen und Kompetenzen können wir intern abbilden, welche müssen wir extern zukaufen? Und das war nur die erste Herausforderung.
Sobald die einzelnen Leute an Bord kamen, galt es, ihnen die Struktur und das Setting eben dieses Projektes zu vermitteln und zu klären: Wer macht was? Wer kommuniziert mit wem? Wem steht welches Budget für welche Teilbereiche und welche Personalentscheidungen zur Verfügung? Unterschiedlichste Erfahrungsstände und Selbstverständnisse galt es, immer wieder auf einen Nenner zu bringen. Das hat viel Zeit und Kraft gekostet, an einigen Stellen auch mal zu kleineren Reibungen geführt, aber letztendlich auch enorm Spaß gemacht.
Abendprogramm für die 15.000 Kinder und Jugendlichen in der Arena
3. Worauf warst du angewiesen, um einen guten Job als Producer Live-Events zu realisieren und wie hast du das in dem eher ehrenamtlichen Setting hinbekommen?
Die wichtigste Rahmenbedingung für meinen Job als Producer auf dem Bundescamp war das enorme Vertrauen, das mir die Campleitung entgegen gebracht hat. Ich habe in meinem Bereich weitgehende Handlungs- und Entscheidungsfreiheit bekommen und es war eine große Offenheit seitens der Programmleitung da, mir die Klärung der detaillierteren Aspekte der Umsetzung zu überlassen, solange sich das Programm noch in den vom Veranstalter definierten Vorstellungen und Wünschen bewegte. Um diese vertrauensvolle Arbeitsebene zu erreichen und zu bewahren, war eine gute, gründliche und kontinuierliche Kommunikation zwischen Veranstalter und Producer unverzichtbar.
In meiner Scharnierfunktion (und als Ehrenamtlicher) war ich außerdem darauf angewiesen, mir permanent viel Detailwissen und Umsetzungs-Know-How von den einzelnen Fachleuten und Machern zu holen und dazuzulernen. An vielen Stellen musste ich „über meinen Schatten springen“ und einfach fragen: Wie geht das? Was bedeutet diese Abkürzung? Warum ist diese technische Lösung besser als die andere? Es hilft nichts, hier den „allwissenden Allrounder“ zu mimen, das geht schief. Umgekehrt braucht es aber auch Fachleute, die offen sind, erklären können und wollen und in deren Ansehen und Respekt man trotzdem nicht sinkt, auch wenn man mal die „Hosen runterlässt“. Eigentlich sollte es das genaue Gegenteil sein, weshalb ich es rückblickend auch als Indikator für gutes Personal bezeichnen würde, ob jemand in diesen Punkten respektvoll und aufrichtig zusammenarbeiten kann und möchte, oder nicht.
Zu guter Letzt ist mir auch wichtig zu betonen, dass ich in meinem Job immer wieder auf eine gute Portion Weisheit, Führung und Hilfe „von oben“ angewiesen war und bin. Bei manchem Blindflug in Entscheidungssituationen tut es einfach gut, ein Bauchgefühl oder eine Tendenz rückkoppeln zu können mit einer Instanz, die aus meiner Sicht über allen Dingen steht. In meinem Fall ist das der Glaube an Gott.
4. Wo hast du dich inspirieren lassen, zumal du sonst im Finanzsektor arbeitest?
In der Tat arbeite ich im eigentlichen Berufsleben in der internationalen Entwicklungszusammenarbeit für einen Entwicklungsfinanzierer, bin also zunächst einmal fachfremd. Innerhalb der Royal Rangers habe ich aber ehrenamtlich über die vergangenen Jahre immer wieder als Musikdirektor, in der Musikproduktion oder in producerähnlichen Jobs bei größeren Camps mit über 1000 Teilnehmern gearbeitet. Da habe ich viel „on the job“ gelernt und mir erarbeitet. Außerdem lese ich viel, recherchiere kontinuierlich Praxiswissen und quetsche Leute aus, die aus dem Produktions- oder Live-Event-Bereich kommen und ihr Know-How und ihre Erfahrung mit mir teilen. Nie die Neugier verlieren, heißt meine Devise, die mir aber zugegebenermaßen – Gott sei Dank! – auch nicht fehlt. Einen ganz besonderen Boost hat mir in der Vorbereitung aufs Bundescamp aber natürlich das Praktikum bei dir gegeben, als ich dir einen Tag in Berlin bei einem großen Event über die Schulter schauen konnte. Man unterschätzt oft, wie hilfreich sogar solche „Mini-Praktika“ (oft lässt sich bei vollzeitlicher beruflicher Tätigkeit ja nichts anderes realisieren) bei einem Meister seiner Profession – und das bist du – sein können.
5. Was war dein größter Fehler bei diesem Projekt und was hast du daraus gelernt?
Meine größten Fehler waren falsche Personalentscheidungen, die zu viel Reibungen und Ineffizienzen geführt haben und letztendlich wieder zurückgenommen werden mussten. Zwei mal ist mir das leider passiert in verschiedenen Bereichen. In der Reflektion danach habe ich mir jeweils selbst zugestehen müssen, dass ich die Personalentscheidungen verfrüht, zu optimistisch, trotz kleiner bereits existierender Bedenken und generell zu wenig durchdacht getroffen hatte. Das schmerzt natürlich, lehrte mich aber einmal mehr, dass das Mitarbeiter-Team der bedeutsamste Faktor ist, der ein Projekt zum Erfolg oder zum Implodieren bringen kann. Selbst schwierige Rahmenbedingungen oder knappes Budget haben eine untergeordnete Bedeutung, wenn ein Team von exzellenten Verantwortungsträgern vertrauensvoll, zuverlässig und in Einheit zusammenarbeitet. Bei zukünftigen Projekten werde ich mir den einen Tag mehr Zeit vor manchen Personalentscheidungen nehmen, eine Nacht mehr drüber schlafen und kleinen Anzeichen im Bauchgefühl größere Aufmerksamkeit schenken.
Insgesamt hatten wir ein grandioses Team am Start, das dieses Bundescamp zu einem genialen Event und großartigen Erlebnis für alle teilnehmenden Kinder und Jugendlichen gemacht hat. Auch die falschen Personalentscheidungen waren „richtige Leute am falschen Platz“.
Matthias Böhning hat Wirtschaftswissenschaften mit Schwerpunkt Entwicklungsökonomie studiert und arbeitet in Köln für einen der größten europäischen Entwicklungsfinanzierer. Ehrenamtlich engagiert ist er in der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen (DGVN), deren Bundesvorstand er als Themenverantwortlicher für Entwicklungspolitik und UN-Entwicklungsarchitektur angehört. In seiner Freizeit engagiert er sich seit 12 Jahren für die christliche Pfadfinderschaft Royal Rangers und ist leidenschaftlicher Musiker. Matthias ist verheiratet mit Julia und wohnt in der Nähe von Köln.