Event-Konzeption: 5 Fragen an Jens Heinrich
Kategorie: Allgemein, Freunde, Inspiration, Menschen
20. August 2014
Event-Konzeption: Speaking Cars beim Autosalon Genf // Quelle: Concept Pilots
1) Warum ist die Konzeption von Events bedeutsam? Was ist Dein Anspruch an gute Event-Konzeption?
Ein Event ohne Konzeption ist nur eine Ansammlung von Maßnahmen. Zum „Konzept“ wird dann ein Motto erklärt wie „Together to the top“, die Teilnehmer haben auf der Party auch Mordsspaß, aber keiner empfindet zwei Wochen später etwas als anders oder hat eine Botschaft verstanden. Ich unterstelle, dass es in diesen Fällen keine klare Meinung oder kein echtes Interesse des Auftraggebers hinsichtlich Marke, Produkt, Botschaft und Teilnehmern gibt. Oder eine Konzeption wird Zeitdruck, mangelndem Budget, schlechter Kundenkommunikation — oder schlicht der Bequemlichkeit geopfert.
Konzeptideen sind idealerweise immer einfach. Sie könnten z.B. „Connect!“ heißen, oder „Individualität“. Die Arbeit der Konzeption und des Kunden ist dann, das zu beleben und auf allen Ebenen durchzudeklinieren: Wie erlebe ich das in Motto, Bühnenbild, Licht, Musik, Geschichte, Essen, Party? Und was bietet auch der Auftraggeber selbst an, um die Idee mit Leben zu füllen? Was fällt den Teilnehmern zwei Jahre später noch dazu ein?
Es wird meist vom roten Faden gesprochen. Ich meine, es geht vor allem um intelligente Wege einer Dramaturgie; um das Gespür, den Einzelnen mit seinen Wünschen, Vorbehalten, Gefühlen, Fragen und Skepsis abzuholen; es geht um das Brechen von Konventionen – im Film spricht man gerne von „Twists“ – darum, die Erwartungen zu brechen, das Erleben zu verstärken. Damit beginnt für mich das anspruchsvolle Konzept, die Live-Kommunikation.
Oft münden Konzeptionen in eine Buzzword-Kaskade: Key-Visual, Setdesign, Guestspeaker, Keynotes, Storytelling, Votings, Reveals, Commitments, Showacts, Flying Buffets, Social-Media-Anbindung, Event-Apps, Follow-up, ganz viel „außergewöhnliche…“ – am Ende sind es dann Vertical Pole Artists in fahrdynamischen Reveals auf Drehscheiben unter 3D-gemappten Watchout-Ventuz-360°-Panoramen mit Twitterwall – einfach weil das alles geht, weil der CEO so etwas schon mal woanders gesehen hat oder weil es im Pitch knallen muss. Das wird auch wirken, aber oft ist es das „Höher, schneller, weiter“, sind es nur immer weiter gesteigerte Technologien. Toll finde ich es dann, wenn dadurch eine echte zugrunde liegende Idee „dramatisiert“, also dramaturgisch verstärkt wird. Eventuell ist das aber ein gar nicht so technischer Effekt.
Manchmal, in bestimmten Momenten, spüren dann alle Beteiligten: Wow, DAS wird ein Konzept! Das Konzept macht aus den alten Einzelnummern einer Manege die Story eines Cirque du soleil. Das gelingt nicht immer und oft nur in einer idealen Konstellation von Verantwortlichen und Partnern. Aber dann macht es Events bedeutsam.
2) Was war das herausforderndste bzw. bedeutsamste Event, welches Du als Konzeptioner realisiert hast?
Auch wenn es 14 Jahre her ist — der damalige Volkswagen-Auftritt auf dem Automobilsalon Genf (Agentur: Vok Dams) bleibt meine persönliche „Benchmark“. Obwohl man in Genf nur wenig Möglichkeiten hat, sollten wir eine sehr emotionale Inszenierung aller Produkte entwickeln – ohne große Bauten und Platzbedarf, ohne laute Aktionen, ohne Tänzer und Akteure. Ergebnis waren die „Speaking cars“: Außerhalb der Messehalle waren Schauspieler in Studiocontainern platziert und sprachen in der Rolle des Fahrzeugs die völlig verblüfften Besucher über die Soundanlage in den äußerlich unveränderten Autos an. Über versteckt angebrachte Mikrofone und Kameras verfolgten sie die Reaktion der Besucher, spielten individuelle Lieblingsmusiken und Geräuschwelten ein und traten mit den Besuchern in den Dialog über ihre Features und Vorteile. Überall stiegen lachend Leute aus und wieder ein, alle waren happy und begeistert. Das war so einfach, so wirkungsvoll, so erinnerbar — das ist für mich bis heute mein Beispiel für ideale Live-Kommunikation aus dem Herzen einer Marke heraus.
3) Worauf bist Du angewiesen, um einen guten Job als Konzeptioner zu realisieren?
Ich wünsche mir immer eine möglichst ideale Konstellation von Menschen. So entsteht bei mir am schnellsten der Mut, Dinge zu riskieren und 100 Prozent zu wollen. Wenn alle am Tisch Idee und Botschaft gleich verstehen und jeder sich bemüht, interdisziplinär zu denken, dann ist sogar ein schwaches Briefing zweitrangig.
4) Wo lässt Du Dich in Sachen innovativer Konzepte und Formate inspirieren?
Gerne in Berichten über Projekte aus anderen oder verwandten Disziplinen (Theater, Film, Making of‘s, Grafik und Design). Und — Achtung: Klischee — komischerweise habe ich wirklich oft unter der Dusche sehr klare Momente, in denen sich einfache und klare Ideen entfalten. Häufig ist es bei mir auch erste spontane und intuitive Idee auf der Rückfahrt vom Briefing, die sich nachher als richtig erweist.
5) Was war Dein bisher größter Fehler und was hast Du daraus gelernt?
Ich neige dazu, mir jeden Schuh erst mal selbst anzuziehen. Man tappt unter dem Leitbild von „Engagement und Verantwortung“ in Fallen, die Stress, schlechte Gefühle, Mehrarbeit verursachen. Ich bin ein guter Teamplayer, aber damit frustriert man Kollegen, weil sie nicht wissen, wo und wie sie entlasten sollen, und andere nutzen es aus, indem sie selbst weniger leisten.
Am Anfang meiner Selbständigkeit hat mich ein Kunde zusammengeschrien, weil die Generalprobe zum Chaos geriet. Als Konzeptioner hatte ich damit nichts zu tun, war aber komplett geknickt.
Auf einer Messe vor vielen Jahren lag ich schwer grippekrank im Hotelbett, meinte aber trotzdem alles weitersteuern zu müssen. Nach erfolgreichem Projekt erklärte mir der Kunde, dass das der einzige Augenblick war, bei dem er mich nicht als professionell empfand.
Es ist gut, die Grenzen der eigenen Rolle zu kennen, sich ergänzen lassen zu können und sich nicht für alles persönlich aufzuopfern. Ich arbeite daran…
Jens Heinrich (*1970) bezeichnet sich selbst als „interdisziplinär geprägter Kreativberater mit einer Ahnung von Vielem und Interesse an allem“. Fotografenausbildung, freier Theaterarbeit und Medientechnik-Studium folgten kreative, organisierende und produzierende Positionen bei Agenturen und als Freelancer – mit dem Anspruch, immer wieder Schwerpunkte zu verlagern. Aktuell arbeitet er unter dem eigenen Label concept pilots.