Gastbeitrag Susanne Schmelcher // Regie am Theater: Worauf ich bei der Inszenierung acht gebe…

19. März 2014

Theaterregie

Thea­ter­regie // Foto: André Wirsig

 

 

Als ich vor einigen Tagen auf einem Amt meinen Beruf angeben musste  – Regis­seurin – strahlte mir ein freu­diges Lächeln entgegen: „Welche Filme drehen Sie denn so?“ Schnelle Vernei­nung, nein, ich drehe keine Filme, ich arbeite am Theater. Sofort verwan­delt sich das Lächeln in Unsi­cher­heit – was mache denn ein Regis­seur am Theater? Ich beginne von der Arbeit mit Schau­spie­lern zu reden und dem Theater an sich und kurz darauf fällt mir auf, dass die Frage gar nicht so leicht zu beant­worten ist. Was genau tue ich da jede Produk­tion wieder und wie kommt dabei eine gelun­gene Insze­nie­rung raus?

 

Jeder Regis­seur arbeitet anders und sicher würde auch jeder bei der Frage worauf man denn bei einer Thea­ter­in­sze­nie­rung acht geben muss etwas anderes antworten. Als Nach­wuchs­re­gis­seurin kann ich zwar nicht auf Jahr­zehnte von Erfah­rung zurück­bli­cken, aber dafür auf einige wert­volle Beob­ach­tungen – bei meinen eigenen Arbeiten und in den fünf Jahren meiner Regie­as­sis­tenz. Hier stelle ich vier Rahmen­be­din­gungen vor, die in meinen Augen für eine gelun­gene Thea­ter­in­sze­nie­rung essen­tiell sind.

 

 

1) Von der großen Idee und den vielen kleinen Ideen

 

Vor jeder Produk­tion steht die Vorbe­rei­tung, das Erstellen eines Konzepts. Was inter­es­siert mich an dem Stück, wie kann ich Themen hervor­heben und zuspitzen? Unter Umständen muss ein Stück über­haupt erst entwi­ckelt werden. Zusammen mit dem Drama­turgen entsteht eine (Strich)Fassung, indem Unnö­tiges gestri­chen wird und ggf. Texte hinzu­ge­fügt werden. Ausstatter und Regis­seur arbeiten Bühnen­raum und Kostüme aus, um das theo­re­ti­sche Konzept zu unter­stützen. Und dann beginnt die eigent­liche Arbeit: Bei den Proben mit den Schau­spie­lern hilft das sorg­fältig ausge­ar­bei­tete Konzept nicht immer weiter, das müssen oft gerade junge Regis­seure schmerz­lich erfahren. Im Arbeits­alltag sollte der Regis­seur in der Lage sein spontan neue Ideen zu entwi­ckeln, auf die Schau­spieler und deren Bedürf­nisse einzu­gehen und mit deren Können über sein Konzept hinaus­zu­wachsen, ohne jedoch das Große und Ganze aus den Augen zu verlieren.

 

 

2) Der Schauspieler und das Team

 

Für mich als Regis­seurin sind die ersten Proben unglaub­lich wichtig, denn hier entscheidet sich in der Regel ob die Schau­spieler mir vertrauen. Wann genau Vertrauen und positive Arbeits­at­mo­sphäre in einem Team entstehen, ist in einer Thea­ter­pro­duk­tion mit ihren unter­schied­li­chen Künst­ler­per­sön­lich­keiten fast unmög­lich voraus­zu­sagen. Aber oft hat es damit zu tun, dass der Regis­seur gut vorbe­reitet ist, jeden Schau­spieler als Gegen­über ernst nimmt, Ruhe ausstrahlt und zugleich inspi­rieren kann. Meine Heraus­for­de­rung besteht auch darin, alle (inklu­sive mir selbst) immer ein wenig über ihre Grenzen hinaus zu fordern. Im besten Falle entsteht so eine Insze­nie­rung, bei der alle Betei­ligten dem Können der anderen vertrauen, so ihr Bestes geben können und mitein­ander zu einer groß­ar­tigen Leitung befähigt sind.
Theaterregie Schauspieler

Thea­ter­regie mit Schau­spie­lern bei „Yukon­style“ am Tiroler Landes­theater // Foto: Rupert Larl

 

 

3) Eine runde Sache: die letzte Woche

 

Am Theater gibt es die soge­nannte Endpro­ben­phase, das ist die Woche mit den Haupt- und Gene­ral­proben. Alle bisher geprobten Szenen werden auf der Bühne zusam­men­ge­fügt. Origi­nal­büh­nen­bild, Kostüme, Beleuch­tung, Musik- und Video­ein­spie­lungen kommen hinzu. Jetzt entscheidet sich ob die Ideen, die es zuvor nur auf dem Papier gab, funk­tio­nieren. Der Regis­seur muss die Schau­spieler und den Raum zu einem Ganzen verknüpfen. Nach meiner Erfah­rung ist es hier wichtig sich trennen zu können: Wird das Bett auf Rollen nur einmal benutzt – raus damit! Sicher ist es ohnehin zu aufwändig es über­haupt raus­zu­fahren und wirkt als hätte man da was zu sagen wo gar nichts ist. Funk­tio­niert der Anfang des Stücks auf der Origi­nal­bühne nicht mehr? Dann hilft nur ehrlich das Problem zu benennen und am nächsten Morgen eine Extra­probe einzu­legen und solange zu ändern, bis es passt. Sieht eines der Kostüme nicht gut aus? Ändern! Stück zu lang? Kürzen! In dieser anstren­genden letzten Woche brauche ich als Regis­seurin nochmal allen Mut, um mein Konzept nicht zu verlieren, aber auch um mir einzu­ge­stehen, wenn etwas wirklich nicht funktioniert.

 

 

4) Der Geniegedanke

 

Und dann ist sie da, die Premiere. An diesem Tag entscheidet es sich, ob meine Insze­nie­rung ‚gut‘ ist. Im deut­schen Stadt­thea­ter­system ist alles an diesem einen Tag fest­ge­macht. Das Fach­pu­blikum hat die hohe Erwar­tung etwas Außer­ge­wöhn­li­ches zu sehen. Im Regie­theater muss der Regis­seur ein Genie sein, dann schafft er es auch in die Charts von Nacht­kritik & Co. Die gelun­gene Insze­nie­rung gibt es aber meiner Meinung nach auch ohne Genie. Hat man ein span­nendes Konzept, eine gute Proben­zeit mit den Schau­spie­lern und genug Mut für das Gesamt­kunst­werk am Schluss, dann klatscht auch das Premie­ren­pu­blikum enthu­si­as­tisch, die Zeitung schreibt was Schönes und der Inten­dant freut sich über die entschei­denden guten Zuschauerzahlen.

 

 

Fazit für die Theaterregie:

 

  1. Viel wollen beim Konzept, aber Platz lassen für kleine spontane Ideen.
  2. Den Schau­spieler immer wieder neu moti­vieren, aber ihm auch vertrauen.
  3. In den Endproben Mut haben, alles noch einmal mit offenen Augen überprüfen.
  4. Bei der Premiere trotz der Kritiker entspannen, die Arbeit ist getan.

 

 

Theaterregie Susanne SchmelcherDIE AUTORIN: Susanne Schmelcher

 

Susanne Schmel­cher ist seit 2013 frei­be­ruf­liche Thea­ter­re­gis­seurin, sie arbei­tete bisher an Stadt­thea­tern wie dem Theater Heidel­berg, dem Tiroler Landes­theater Inns­bruck und dem Pfalz­theater Kaisers­lau­tern sowie in der freien Szene. Zur Zeit hat sie einen Lehr­auf­trag für das Szeni­sche Projekt an der Johannes Guten­­berg-Univer­­­sität Mainz.

 

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