Kevin Spacey: Was wir von der Film & TV-Industrie lernen können
Kategorie: Allgemein, Inspiration
20. Mai 2015
Kevin Spacey: Was wir von der Film & TV-Industrie lernen können // Quelle: The Telegraph
Immer wieder geschehen Revolutionen im Medienbereich: nach der Zeitung kam der Hörfunk, das Fernsehen und dann das Internet.
Ganze Branchen wurden durcheinander gewirbelt, ohne jedoch ganz zu verschwinden. Die Musikindustrie beispielsweise hat sich jedoch in den letzten Jahren halbiert. Auch der TV-Konsum wandelt sich stetig. Vorbei sind die Zeiten, wo die ganze Familie “Wetten, dass…?!” schaute. Heute wird parallel auf dem second screen kommentiert. Sendungen werden dann gesehen, wann immer der Zuschauer Zeit hat — nicht wann der Sender es vorgibt…
Bereits im August 2013 hielt der Schauspieler und Regisseur Kevin Spacey auf dem Edinburgh International Television Festival eine beachtenswerte Grundsatzrede zur Zukunft des Fernsehens. Folgend einige seiner Kerngedanken und was wir daraus für die Live-Kommunikation lernen können (deutsche Zusammenfassung via dwdl.de).
Kevin Spacey: “It’s the creative, stupid!” // Kreativität & Geschichten
• Das Publikum hat gesprochen und es will Geschichten. Sie lechzen danach. Sie feuern uns an, ihnen gute Geschichten zu liefern. Sie werden dann darüber sprechen, darüber bloggen, darüber bei Facebook und Twitter schreiben, Fanpages bauen, alberne GIFs erstellen und teilen, Nächte durchmachen um Folgen aufzuholen und Gott weiß was sonst noch tun. Eine erfolgreiche Serie kann eine Leidenschaft und eine Nähe zum Zuschauer entwickeln, von der jeder Blockbuster-Film aus Hollywood nur träumen kann. Wir müssen ihnen diese Geschichten nur liefern! Es wäre eine Schande für jeden von uns, wenn wir diese Chance nicht ergreifen und nutzen.
• Wenn dieser großartige Erfolg an TV-Serien nicht der beste und unmissverständliche Beweis dafür ist, dass die Kreativen die Könige des Fernsehens sind, dann weiß ich nicht, was Sie überzeugen könnte. Unsere Herausforderung ist, diese Flamme der Kreativität am Brennen zu halten.
• Der Nachwuchs sucht uns nicht mehr. Wir müssen ihn suchen. Deswegen müssen wir Talent fördern. Ich bin enttäuscht davon, dass diese Branche nicht mehr tut um neue Talente zu finden. Das ist dringend nötig. Bis heute konnte die Film- und Fernsehbranche darauf warten, dass talentierte Kreative uns schon finden werden. Wir waren lange diejenigen mit dem Schlüssel zum Königreich. Man brauchte uns, um Geschichten an ein großes Publikum zu bringen. Das ändert sich gerade und es ändert sich schnell. Eine neue Generation wächst längst nicht mehr mit dem Gefühl auf, dass das Fernsehen die erste Adresse für spannende Geschichten sei. Sie kennen nur eine unfassbar breite und große Vielfalt an Entertainment und guten Geschichten im Netz und wenn die eine gute Serie auf Netflix oder Apple TV lieben lernen, wissen die möglicherweise gar nicht mehr, auf welchem Sender die Serie ursprünglich lief. Der Nachwuchs sucht uns nicht mehr. Wir müssen ihn suchen.
• Das Erfolgsmodell von Netflix, nämlich die Veröffentlichung aller Folgen gleichzeitig, hat eins bewiesen: Das Publikum möchte die Kontrolle. Es möchte Freiheit. Wenn das Publikum alles auf einmal sehen möchte — wie es bei ‘House of Cards’ der Fall gewesen ist — dann sollte man ihm alles auf einmal geben. Mit diesem neuen Distributionsmodell haben wir meiner Meinung nach bewiesen, dass wir verstanden haben, was die Musikindustrie lange nicht verstanden hat: Gib den Menschen was sie wollen, wann sie es wollen, in der Form in der sie es wollen — zu einem vernünftigen Preis. Und sie werden eher bereit sein dafür zu zahlen als es zu stehlen.
• Wir haben verstanden was das Publikum will — es will Qualität. Und wir wissen, was die Kreativen wollen — künstlerische Freiheit. Der einzige Weg um das zu bewahren, ist Innovation. Es ist auch klar, was die Konzerne, die Studios und Sender wollen: Sie wollen Geld verdienen und sie müssen ja auch profitabel sein, um weiter hochqualitative Programme zu finanzieren. Dazu brauchen sie das größtmögliche Publikum mit der größtmöglichen Aufmerksamkeit. Haben wir alles verstanden. Die Herausforderung besteht darin, ein Umfeld zu schaffen in dem Führungskräfte, die nur in Zahlen denken, ermutigt werden unsere Mission zu unterstützen: Ein Umfeld zu schaffen, das lieber das Risiko eingeht, zu experimentieren und zu scheitern als auf Nummer sicher zu gehen.
• In gewisser Hinsicht müssen wir besser sein als das Publikum, ihm einen Schritt voraus sein. Wir müssen überraschen, Regeln brechen und Zuschauer mitreißen. Wir müssen ihnen bessere Qualität liefern. Wir werden den Status Quo nicht über Nacht ändern, aber wir können jetzt die Weichen stellen. Es braucht Mut an eine Serie zu glauben, wenn die Zahlen nicht stimmen; Beherztheit nicht unter dem Druck der Führungsetage zusammenzubrechen.
• Es hat sich doch gezeigt, dass der Glaube an Ideen und starke Talente sinnvoller ist als ein Pilot-System, das alle möglichen Ideen an die Wand wirft, in der Hoffnung das schon irgendetwas hängen bleibt. Wenn ein Publikum süchtig ist nach einer Serie, egal wie klein die Zuschauerzahlen zu Beginn sind, ist sie es dann nicht wert, Zeit zu investieren, um ihr Potential zu entfalten? Und wenn wir dafür all unsere Regeln überdenken müssen, anders programmieren müssen oder mit Verwertungsfenstern spielen müssen, dann sollten wir verdammt nochmal bereit sein, alles auszuprobieren.
• Es geht am Ende nur um eins: Geschichten. Egal mit welcher Kamera das für welches Abspielformat gedreht wurde. Wenn die Geschichte stimmt, dann schauen die Leute auch etwas was dreimal so lang ist wie eine Oper. Netflix und andere Angebote sind so erfolgreich, weil sie gute Inhalte und einen zukunftsweisenden Ansatz für dessen Konsum vereinen.
Handlungsschritte: Was heißt das für die Live-Kommunikation?
• Das Publikum stirbt nach Kevin Spacey für gute Geschichten. Aber: Erzählen wir mit unseren Events überhaupt Geschichten und geben somit Besuchern das, wonach sie verlangen? (Sehr gute Anweisungen, wie man eine Geschichte formuliert und worauf es ankommt, finden sich in diesem Memo). Machen wir uns die Mühe, jede Event-Szene perfekt zu schreiben, wie es in dem Memo gefordert wird?
• Konkreter: Bei TV-Serien entwickeln Geschichten über die längere Laufzeit ihr Wirkungspotential mit Suchtfaktor. Bei Events haben wir die ungeteilte Aufmerksamkeit der Gäste und können Geschichten nach und nach entfalten. Neben dem Event als dramaturgischen Höhepunkt gibt es immer auch das Vorher und Nachher. Nutzen wir diese Bandbreite, um intelligent entwickelte Geschichten über die Laufzeit zu erzählen? (Ein für mich gutes Tool ist dabei die Heldenreise).
• Wie werden Talente in der Live-Kommunikation gefördert? Haben wir ein Commitment für Talente und deren konsequente Entwicklung? (Heute findet der DAVID Award statt, ein anderer Ansatz ist das treibhaus 0.8)
• Es Bedarf Mut von Entscheidern, an Ideen zu glauben, die nicht Mainstream sind und Kreativen Freiräume bieten. Fehlen uns die Entscheider, die den Mut aufbringen für Qualität und Talent zu kämpfen? Liegt der Hase beim Kunden begraben oder aufgrund der engen Rahmenbedingungen von Events?
• Das Publikum will Kontrolle und Freiheit — spiegelt sich das im Eventablauf wieder oder setzen wir konsequent Inhalte vor, denen der Gast zu folgen hat? Wie viel Partizipation ist möglich? (Hierzu der Hinweis auf den Future Cube) Letztlich: Haben wir die Zielgruppen mit ihren eigenen Bedürfnissen im Blick und entwickeln mit Augenmaß das, was sie wollen?
• Neue Wege bedeuten ein Risiko und Mut. Das es sich Innovation lohnt, beweisen die Rückmeldungen von Gästen wie Kunden nach dem Event mit dem gewissen Etwas… Arbeiten wir gemeinsam daran, Menschen auf allen Kanälen jederzeit das zu geben, was sie wollen: gute Geschichten!
Frage: Geschichten hin oder her — alles Humbug oder welche Erfahrungen hast du mit diesem Thema gemacht? Krankt es aus deiner Sicht an einer ganz anderen Stelle in der Live-Kommunikation? Was machen Event-Gestalter wiederum besser als im Theater, Fernsehen, Film? Ich freue mich auf einen Kommentar unterhalb!
Hier der ganze Vortrag von Kevin Spacey auf dem Edinburth TV Festival (Quelle: The Guardian):