Ich bin wieder da // Rückblick auf mein halbes Jahr Auszeit

19. Januar 2017

Auszeit Sabbatical Chris Charlotte

Auszeit: Ich bin wieder da // Rück­blick auf mein Sabba­tical (Quelle Video: David Lindberg)

 

 

Man muß die Dinge auch so tief sehen, daß sie einfach sind.
Wenn man nur an der Ober­fläche der Dinge bleibt, sind sie nicht einfach;
aber wenn man in die Tiefe sieht, dann sieht man das Wirk­liche und das ist immer einfach.
// Konrad Adenauer (1876–1967)

 

 

6 Monate habe ich keine Aufträge ange­nommen. 15. Juli 2016 bis 15. Januar 2017.
Seit dieser Woche bin ich wieder mit viel Spaß als Ablauf­re­gis­seur unterwegs.

 

 

Zeit für einen Rückblick

 

In meiner Ankün­di­gung für das Sabba­tical sprach ich von dem „Respekt“ vor der Leere. Doch obwohl ich mich mit ihr ausein­an­der­setzen musste, war die Sorge unbe­gründet. Meine Auszeit war gespickt mit wert­vollen Begeg­nungen und persön­li­chen Entde­ckungen, die mich in die Tiefe geführt haben. Ich habe unfassbar viel gewonnen in diesem halben Sabbatjahr.

 

Warum über­haupt eine Auszeit nehmen? Vor allem wollte ich Zeit für Bezie­hungen haben – für Familie, Freunde und mich. Leben lässt sich in der Familie nicht beschleu­nigen. Das Ins-Bett-bringen oder Wäsche­auf­hängen dauert eben so lange, wie es dauert. Dingen und Menschen die Zeit geben zu können, die sie eben brauchen und mich dabei neu auszu­richten — darum ging es in dem lang geplanten Sabba­tical. Schönes Kontrast­pro­gramm zu meinem sonst schnell­le­bigen Arbeitsleben.

 

 

Ich bin wieder da Auszeit Sabbatical

 

 

Die Essenz der Auszeit: Sinnhaftigkeit, Achtsamkeit, Glück

 

Ich liebe es, Events zu gestalten. Das ist mein Ding. Ideen eine Bühne geben, die Perspek­tiv­wechsel ermög­li­chen und Atmo­sphären kreieren, in denen Verän­de­rung möglich ist. Es ist unfassbar, packende Shows und Momente im Team zu insze­nieren, auf der Welt unter­wegs zu sein, meine Bega­bungen zu entfalten und diesen Traum leben zu dürfen. Man könnte auch sagen: Es ist wie auf Droge.

 

Wenn dann aber auf einmal der Stoff ausbleibt, setzt der Entzug ein. So war es in den ersten Wochen. Ich war unruhig und unzu­frieden, mir fehlten produk­tive Ergeb­nisse, ich konnte mich schwer auf die Menschen um mich herum und die Leere einlassen.

 

Das hat mir auch gezeigt, wie Arbeit die höchste Prio­rität in meinem Leben geworden ist. Das schlimme an so einem „Götzen“ ist, dass er nie die Befrie­di­gung gibt, die man sich erhofft. Mir stellte sich darum die große Frage:

 

 

Wie will ich eigentlich leben?

 

 

Schon zum Anfang der Auszeit kam mir der Gedan­ken­gang: Könnte es sein, dass ich Erfül­lung im Leben nicht durch das Fokus­sieren auf mich und meine Projekte erreiche, sondern nur durch das Verschenken an den anderen? Der Mönch Notker Wolf schreibt „Loslassen und wegsehen von sich selbst ist wichtig. Es bleibt dabei: Wer sich nicht mehr nur um sich selbst dreht, wer sich nicht mehr sucht, der wird sich finden.

 

Ich würde nicht sagen, dass ich da schon ange­kommen bin. Aber einiges hat sich für mich noch einmal neu geordnet. Ich möchte vor allem in glück­li­chen Bezie­hungen leben und Sinn­haf­tig­keit in meiner Arbeit entde­cken. Ersteres war in den letzten Jahren immer kürzer geraten.

 

Das eigent­liche Ziel war also klar: weniger ich – mehr andere.

 

Aber um sich auf andere einlassen zu können, ist es ebenso wichtig sich selbst besser kennen­zu­lernen. Durch unter­schied­lichste Zugänge kam ich immer wieder auf den Aspekt Acht­sam­keit: Mich selbst spüren, Emotionen wahr­nehmen, verstehen wie und warum ich so ticke. Der Grad der Selbst­wahr­neh­mung zeigt sich an der Beant­wor­tung der Frage: Wie geht es mir eigent­lich?

 

Eine fantas­ti­sche Übung dazu durfte ich in einem Gebets­haus kennen­lernen: Kontem­pla­tives Gebet. Begeg­nung mit Gott und mir selbst. Wahr­neh­mung, im Hier und Jetzt sein, den Atem spüren.

 

Ein neuer Zugang zu mir.

 

 

Ich bin wieder da Auszeit Sabbatical

Auf Facebook zeige ich den deko­rierten Teil meines Lebens. Ich bin überall. Doch in Wahrheit: nirgends.
// York Pijahn in der Titel­ge­schichte des Wolf Magazin

 

 

Zeit für Erinnerungsmomente

 

In dem halben Jahr war viel Zeit für Alltag in der Familie. Ich konnte meine Frau entlasten, die dadurch selbst einige span­nende Arbeits­pro­jekte angehen konnte. Und gemeinsam mit meiner Familie oder Freunden oder auch mal ganz allein erlebte ich Dinge, an die ich mich immer erinnern werde: Neben einem Fami­li­en­ur­laub auf dem Berg­bau­ernhof in Südtirol, Gardasee, Venedig und Wien standen Kultur und Natur ganz oben auf meiner Liste.

 

Lesen, wandern auf dem Vene­diger Höhenweg (Bild oberhalb), schwimmen im Winter­warm­freibad, alle zwei Tage laufen am Rhein, Sauna­gänge mit Freunden, Kuli­narik und Kino, Pina­ko­thek der Moderne mit einer liebens­­würdig-verrückten Femi­nistin oder mit meiner Tochter in Köln das Wallraf-Richartz-Museum besuchen, Jahr­hun­dert­halle Breslau mit den besten zwei Freunden aus Schul- und Unizeit entde­cken (und diese Video­in­stal­la­tion endlich mal live erleben), kontem­pla­tives Gebet im Gebets­haus, Konzerte ohne Handy zücken und filmen – einfach ganz da sein.

 

Das High­light war die Geburt meines Sohnes Leonard James kurz vor Weih­nachten — bestes Geschenk ever!

 

 

Was hat Veränderung hervorgerufen?

 

Die Chance einmal längere, unge­störte Zeit zu haben sein eigenes Leben von außen zu betrachten und in vielen Gesprä­chen und Momenten zu reflek­tieren — das war ein großes Vorrecht. Bewußt ohne Ziel losgehen, einfach mal wahr­nehmen. Da kam einiges hoch. Auch Bücher wie dieses haben mir inter­es­sante neue Perspek­tiven auf das Leben eröffnet.

 

Aufgrund der Erleb­nisse in der Auszeit lautet mein Vorsatz für 2017:
Weniger Digital – mehr Analog. Weniger Mails, mehr Anrufe.
Dinge tun und das Ergebnis geniessen. Am besten zusammen.

 

 

Auszeit: Was bleibt? Wie geht es weiter?

 

Auszeiten werde ich fest in meinen Kalender veran­kern, kurze wie lange. Mein Vorbild Stefan Sagmeister plädiert dafür, die fünf Jahre „freie Zeit” zwischen 65 und 70 vorzu­ziehen. Immer wieder auch während der Berufs­tä­tig­keit Pausen zu nehmen. Nicht um wie im dem Video oberhalb skiz­ziert ein Leben lang zu arbeiten, dabei sich selbst und das eigent­liche Ziel aber zu verfehlen. Das lohnt sich einfach nicht. Dafür wartet einiges in einer Auszeit: Sinn, Freu(n)de, Wachstum, Inspi­ra­tion.

 

Mich hat die Zeit glück­lich gemacht und verän­dert. Die Acht­sam­keit mir und anderen gegen­über schafft eine gute Basis. Ich plane, durch einige Entschei­dungen in den nächsten Jahren noch sinn­haf­tiger zu arbeiten und mehr im Moment zu leben. Mehr zu diesen Maßnahmen und wie das zu trotzdem ange­messner Produk­ti­vität führt — darum wird es in zwei Wochen im nächsten Blogpost gehen.

 

 

Frage: Wie willst du leben? Was ist zu ändern? Bist du glück­lich? Wie könntest du eine Auszeit angehen?

 

 

Lese­tipps zur Auszeit:
PAUSE: Warum du mehr erreichst, wenn du weniger arbeitest…
Harvard-Absol­­venten-Studie „Grant“ — fast eine Anlei­tung zum Glück­lich­sein für Männer (hier der TED Talk)
Rück­blick auf das Sabba­tical von Sascha Poddey (music4friends) — 3 TOP Erkennt­nisse zur Auszeit
..und das verlinkte Video oben noch mal schauen — aber in Ruhe :)

 

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