ESC 2014 #JoinUs // Die Technologie hinter dem TV-Event…

21. Mai 2014

ESC 2014 Zweit­plat­zierte: The Common Linnets — Calm After The Storm // Quelle: Euro­vi­sion Song Contest

 

 

Der dies­jäh­rige Euro­vi­sion Song Contest am 10. Mai aus Kopen­hagen liegt eine gute Woche hinter uns. Zeit, einen Blick hinter die Machart dieser gran­diosen Show zu werfen. Obwohl ich kein ESC Fan bin, ist es ein Groß­ereignis, das mich in der dies­jäh­rigen Perfor­mance schier beein­druckt hat. Sowohl tech­nisch wie konzep­tio­nell gab es starke Inno­va­tionen, die zu magi­schen Momenten geführt haben. Folgend ein paar Hinter­gründe kompakt zusam­men­ge­stellt und aus meiner Sicht kommentiert.

 

 

ESC 2014 Motto: #JoinUs

 

Ich liebe diese Art von einfa­chen aber starken Ideen, eine echte big idea: #JoinUs. Das offi­zi­elle Motto der Veran­stal­tung ist klar wie einla­dend zugleich und setzte den roten Faden für die Veran­stal­tung. Es war ein Will­kom­mens­gruß an die Menschen, die nach Dänemark reisten — genauso wie die Auffor­de­rung an die Zuhause geblie­benen, sich am second screen an der digi­talen Kommu­ni­ka­tion zu betei­ligen. Die Einla­dung galt aber auch für das mit über 500 Mitar­bei­tern große Team, welche eine zentrale Bedeu­tung hatte, wie Regis­seur Per Zacha­riasen in dem Crew Video heraus­stellte (bester Inter­view­teil ab 33:30min). Geschätzte TV-Zuschau­er­­zahl weltweit: 125 Millionen in 45 Ländern, allein in Deutsch­land haben 8,96 Millionen Zuschauer eingeschaltet.

 

 

Starke Konzeption anstatt reines TV-Event: Filme, Titelmusik, Moderationen

 

Es gab für mich gleich mehrere konzep­tio­nelle Höhe­punkte: die Post­­karten-Einspie­­ler­­filme (alle Videos finden sich als Playlist hier), die wirklich genial eingän­gige Titel­musik und über­ra­schende Details durch die Mode­ra­tionen ohne Frem­d­­schäm-Faktor. Der fran­zö­si­schen Band wurde beispiels­weise Essen vom Koch ihres Lieb­lings­re­stau­rants in Paris gereicht — Über­ra­schung pur! Oder der engli­schen Live-Kommen­­tator wurde unwis­send live einge­bunden und mit dem Wunsch, es auch für ihn beson­ders zu gestalten, ein kleiner Konfetti-Regen in die Über­set­zungs­ka­bine abge­feuert: einfach wert­schät­zend, beson­ders und überraschend!

 

Die Idee für die Post­­karten-Einspiel­­filme war die Krönung! Spannung über alle 37 Teil­neh­mer­länder zu halten ist eine echte Aufgabe. Ausge­hende Frage­stel­lung war, wie Kunst, Archi­tektur etc. in dem jewei­ligen Land aussieht — daraus wurde dann auf kreative Weise die Natio­nal­flagge nach­ge­baut und abschlie­ßend ein Foto für eine Gruß-Post­­karte gemacht. Tolle Bilder und Varia­tionen des selben Themas (ich weiß ja nicht, ob ich damit zu 90ies bin — aber das hätte man auch gut als eCard ausbauen und so viel­leicht noch mal für digi­talen traffic sorgen können…)! Einzig: Die Story mit den ganzen China-Anspie­­lungen in der Mode­ra­tion habe ich bis zum Ende nicht geblickt — aber viel­leicht ein geschickt einge­setzter running gag, der durch Irri­ta­tion Aufmerk­sam­keit schafft und als Diskus­si­ons­starter dienen sollte… Ansonsten: sehr starke und über­ra­schende Details von den Dänen beim ESC 2014!

 

 

Inszenierung hui — Musik eher pfui…

 

Was für eine Content- und Licht­schlacht beim #ESC — vom Bühnen­de­sign über die LEDs und Pyro, alles state of the art. Dennoch hatte ich nicht das Gefühl von den vier Content­ebenen (LED Boden, LED Rückwand, LED Kubus, Projek­tion) vom Inhalt abge­lenkt zu werden. Blick­fang der 35 × 20 m großen Bühne war der offene Glas­kubus aus 120 Spezi­al­­glas-Modulen dieses ameri­ka­ni­schen Herstel­lers, die es erlaubte Bilder und Anima­tionen zu zeigen. Dieses ließ sich bei Bedarf von opak (ohne Bestro­mung) auf trans­pa­rent (unter Strom) schalten und ermög­lichte damit je nach Bühnen­bild die Projek­tion von Bildern auf die Glas­ober­fläche oder alter­nativ das Durch­scheinen der LED-Wand im Hinter­grund. 32 Projek­toren von Barco proji­zierten scharfe Bilder und Videos auf die Glas­mo­dule (16 HDQ-2K40 und 16 HDX-W20-Projek­­toren, die mit einer inte­grierten Bilder­ver­ar­bei­tung für extreme Skalie­rungen ausge­stattet sind und so von extremsten Winkeln proji­zieren können).

 

1.170 Quadrat­meter LED-Wände kamen während der Show zum Einsatz, insge­samt 2.810 Lampen und satte neun Millionen Dioden wurden im Boden und an den Wänden verar­beitet. Der LED Video Display im Hinter­grund wurde laut dem Tech­nik­dienst­leister Mediatec knapp 100m breit und 13m hoch gebaut. Das gesamte Bühnen­bild umfasste neben dem Kubus auch einen 169 Quadrat­meter inter­ak­tiven LED-Fußboden, dessen Bild- und Licht­ef­fekte zusätz­lich durch die Prot­ago­nisten via Druck­sen­soren akti­viert wurde. Alle LED-Bild­­schirme und Projek­toren wurden über den d3 4U v2.5 Medi­en­server gesteuert. Vorteil dieses Servers ist, dass er mittels einem 3D-CAD-Modell der Bühnen­kon­struk­tion schöne Vorvi­sua­li­sie­rung für die Content- und Licht­vor­pro­gram­mie­rungen ermög­licht. Dies bedeu­tete, dass erstmals die Bühne den Künst­lern folgte und nicht andersrum. Hier das Beispiel der Vorvi­sua­li­sie­rung des Gewinnertitels:

 


Quelle: d3 tech­no­lo­gies

 

 

StageDesign: Analogie zum Schiffsrumpf oder doch ein Diamant?!

 

Warum die Veran­stal­tung in dem riesigen Schiffs­hangar der B&W Hallerne im indus­tri­ellen Teil des Hafens von Kopen­hagen statt­fand, ist schnell erklärt: es war mit 60m Decken­höhe die einzige Halle in Dänemark, die groß genug für die Umset­zung der Showidee war. Inspi­ra­tion für die Bühne lieferte der Schiffbau, welcher in der Location eben tatsäch­lich statt fand. Das ergän­zende Logo war ein blauer, strah­lender Diamant, der symbo­lisch für die Vielfalt an auftre­tenden Künst­lern stehen sollte. Außerdem entsprach er dem Wunsch masku­liner zu werden – daher die Anspie­lung des SetDe­signs auf den Schiffsbau, der Diamant mit blauer Farbe etc. Mich persön­lich erin­nerte der Kubus übrigens stark an die Licht­in­stal­la­tionen von WHITE­void. Neu war auch der Green Room für die Künstler inmitten der Arena. Die Veran­stalter haben es so den Besu­chern ermög­licht, möglichst nahe bei ihrem Kandi­daten zu sein.

 

Wich­tiger als die ganzen Fakten ist aber der erzielte Effekt: durch die hori­zon­tale und verti­kale Gestal­tung der Bühne wurde anders als bei vielen TV-Shows eine wirkungs­volle Drei­di­men­sio­na­lität selbst bei der Fern­seh­über­tra­gung erzeugt, wie sonst selten. Das ist aus meiner Sicht die größte Leistung dieses tollen durch­dachten Konzepts wie sie der SetDe­si­gner Claus Zier hier noch mal ausführt:

 

 

 

22 Kamera’s erzählen eine vorprogrammierte Geschichte

 

Eine span­nende Frage für die Kreation des Video­con­tents ist: Was haben die Künstler, was das Publikum berühren kann? Die Ergeb­nisse haben wir alle sehen können. Was mich zum Kame­ra­kon­zept bringt. Der formu­lierte Anspruch mittels der 22 Kameras eine Geschichte zu erzählen trifft es passend. Für mich neu war, dass der Bild­schnitt komplett timeline basiert vorpro­gram­miert wurde (Johannes Spieker, DER Bild­­mi­­scher-Guru versi­cherte mir, dass dies in Skan­di­na­vien schon länger so gehand­habt wird ;). So war die Präzi­sion auch kein Wunder — weitere Details dazu in dem folgenden Video.

 

Die Heraus­for­de­rung an den däni­schen Licht­de­si­gner Kasper Lange bestand neben aller Krea­ti­vität gerade im Zusam­men­spiel der extrem hellen LED-Flächen, der ausrei­chend hellen Projek­tion auf die Glas­mo­dule im Kubus und dabei insge­samt ein brauch­bares Licht für die Kameras zu liefern. Dafür wurden allein 50.000 Kanäle program­miert. PRG, mit der däni­schen Firma [LITE]COM Group verant­wort­lich für Licht und Rigging, hat eine umfas­sende Mate­ri­al­liste veröf­fent­licht. Wen es genauer inter­es­sieren sollte hier auch die Crew­liste, die Bilder der Show haben jeden­falls gewirkt! Optisch beson­ders empfand ich den LED Boden im Zusam­men­spiel mit der Kran­per­spek­tive aus dem Rig — sehr starke Kombination!

 


Quelle der ESC 2014 Videos: Melodi Grand Prix

 

 

Fazit:

Der ESC 2014 hat wirklich mit etwas Neuem über­zeugt und magische Momente kreiert! Musi­ka­lisch fand ich die Holländer eindeutig besser, aber über die poli­ti­sche Dimen­sion des Gewinns von Conchita Wurst ist die Tages­presse ja schon voll genug.

Aus Sicht der Event­branche: Chapeau! Danke, dass ihr unserer Branche Inspi­ra­tion seid und die Show meis­ter­haft auf die Beine gestellt habt! Ich bin gespannt, wann mich eine Show tech­nisch wieder so über­ra­schen und begeis­tern wird…

 

 

Was hat dich beim ESC 2014 über­zeugt? Oder bist du anderer Meinung? Freue mich auf Kommen­tare und inhalt­liche Ergän­zungen unter­halb und like doch gleich mein Facebook Profil für regel­mä­ßige Inspi­ra­tion rund um die Live-Kommunikation.

 

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